Geister im immergrünen Dickicht – Warum die großen Raubkatzen Costa Ricas unseren Schutz brauchen
Still wie elegant streifen sie durch den Dschungel: Die großen Raubkatzen der süd- und mittelamerikanischen Regenwälder. Wir begeben uns auf die Spuren der majestätischen Tiere.
Man sieht sie nicht, doch sie sind trotzdem da: die scheuen, aber mächtigen Raubkatzen des Dschungels. „Ich bin mir sicher, dass mir schon hundertmal Jaguar-Blicke gefolgt sind“, verrät Dr. Ina Knobloch gegenüber „National Geographic“, doch in freier Wildbahn gesehen habe sie noch keinen. Seit den 1980er-Jahren engagiert sich die Biologin und Filmproduzentin für die Rettung der „Schatzkammer Regenwald“, wie sie den Urwald Süd- und Mittelamerikas nennt. Ganz besonders Costa Rica und dessen faszinierende Flora und Fauna haben es ihr angetan. Darunter auch Raubkatzen – und es gibt nur wenige Tierarten im Dschungel, um die sich mehr Mythen und Geheimnisse ranken.
Der König des Dschungels: Wo der Jaguar regiert
Jaguare, wissenschaftlich Panthera onca, sind die größten landlebenden Raubtiere Mittel- und Südamerikas. Sie zählen zu den schnellsten Säugetieren auf der Welt. Ihr wohl wichtigster Lebensraum: der Wald. „Jaguare sind ein Symbol für den intakten Regenwald“, sagt Dr. Knobloch. Und das aus gutem Grund: Die Raubkatzen benötigen Bäume, um dort ihrer Beute aufzulauern. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass es durch die zunehmende Abholzung des Regenwaldes zu Konflikten mit Landwirten kommt, wenn Jaguare nahe menschlichen Ansiedlungen auch Haus- und Nutztiere töten.
Eins mit dem Ökosystem des Regenwaldes
Jaguare sind nicht nur exzellente Jäger an Land, sondern auch hervorragende Schwimmer. Sie halten sich oft in der Nähe von Flüssen, Bächen und Seen auf, lauern dort versteckt auf ihre Beute und springen ins Wasser, um sie zu erlegen. Mit über 85 verschiedenen Tierarten auf ihrem Speiseplan sind sie äußerst anpassungsfähig. Nach einer großen Mahlzeit von bis zu 25 Kilogramm Fleisch können sie lange ohne Nahrung auskommen.
Neben ihrer ökologischen Rolle haben Jaguare auch eine große mythologische Bedeutung. In vielen indigenen Kulturen Mittel- und Südamerikas gelten sie als göttliche Wesen. Einige Völker glauben an den Seelenwandel zwischen Jaguar und Mensch. Die Maya-Herrscher beispielsweise saßen auf Jaguarthronen.
Trotz ihrer Bedeutung sind Jaguare bedroht und stehen auf der Roten Liste der IUCN. Ihre Lebensweise ist noch wenig erforscht. Ein Forschungsprojekt der Universität von Costa Rica (UCR) versucht, ihre Reviere zu kartieren. Dabei arbeiten Wissenschaftler mit Öko-Lodges zusammen, die Wildkameras im Regenwald installieren und die Aufnahmen zur Analyse weitergeben.
Wenn Mutter Natur würfelt: Der Schwarze Panther
Der schwarze Panther ist keine eigene Tierart, sondern eine Raubkatze mit Melanismus – einer Genmutation, die eine dunkle Pigmentveränderung verursacht. Dies kann bei fast allen Großkatzen auftreten, außer beim Puma. Der Name „Panther“ leitet sich von der wissenschaftlichen Gattungsbezeichnung Panthera ab.
Wie häufig diese Mutation vorkommt, ist nicht genau bekannt. Eine Studie in Costa Rica soll Aufschluss darüber geben, indem sie die Fellmuster schwarzer Jaguare analysiert. Trotz ihrer dunklen Farbe bleibt ihre ursprüngliche Musterung erkennbar. Wissenschaftler vermuten, dass Melanismus in dichten Regenwäldern einen Tarnvorteil bietet. Tatsächlich sind schwarze Jaguare dort häufiger anzutreffen als in offeneren Gebieten.
Anpassungsfähiger Berglöwe: Der Puma
Der Puma ist in ganz Amerika verbreitet und nicht auf den Dschungel beschränkt. Er kommt in kalten Bergregionen ebenso vor wie in Wüsten und tropischen Wäldern. Trotz seiner Größe zählt er biologisch zu den Kleinkatzen, kann aber bis zu 125 Kilogramm wiegen.
Pumas sind extrem anpassungsfähig – sowohl in ihrem Lebensraum als auch bei der Nahrungssuche. Sie jagen alles von kleinen Nagern bis hin zu großen Huftieren wie Lamas, die sie aus dem Hinterhalt angreifen. Nach der Jagd bedecken sie ihre Beute mit Zweigen, um sie vor anderen Raubtieren zu schützen.
Früher wurden Pumas stark bejagt, da Viehzüchter sie als Bedrohung sahen. In Costa Rica haben Schutzmaßnahmen dazu beigetragen, dass sich ihre Bestände langsam erholen.
Wer ist der König der Region: Jaguar oder Puma?
„Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Reviere von Jaguar und Puma in den Wäldern strikt getrennt sind. Im Dschungel ist der Jaguar eindeutig der König der Region, in den Bergen und der Steppe eher der Puma“, erklärt Ina Knobloch.
Zierliche Dschungelschönheit: Der Ozelot
Der Ozelot (Leopardus pardalis) lebt in den tropischen Wäldern Mittel- und Südamerikas, ähnlich wie der Jaguar. Allerdings ist er deutlich kleiner – etwa doppelt so groß wie eine Hauskatze.
Seine Beute besteht vor allem aus kleinen Säugetieren. „So ziemlich alles, was an Säugetieren auf dem Boden kreucht und fleucht und nicht mehr als ein Kilo auf die Waage bringt“, erklärt Dr. Knobloch. Ozelots sind geschickte Jäger, bewegen sich lautlos und sind vorwiegend nachtaktiv. „Die kleine Raubkatze ist sehr wendig, klettert gerne und hat es auch gelegentlich auf Vogelnester abgesehen, jagt aber meist am Boden.“
Wie der Jaguar ist auch der Ozelot gemustert, jedoch in kleineren, streifenartigen Mustern auf hellbraunem Grund. Wegen ihres schönen Fells wurden Ozelots lange bejagt, sind aber mittlerweile nicht mehr auf der Liste der gefährdeten Arten.
Beinahe wie Zwillinge: Oncilla und Margay
Der Oncilla, die nördliche Tigerkatze, wissenschaftlich Leopardus tigrinus, ist klein, wendig und vor allem auf Bäumen aktiv. Er sieht dem Margay, der Langschwanzkatze Leopardus wiedii, die in Costa Rica ebenfalls verbreitet ist, zum Verwechseln ähnlich. Beide Katzen werden nur in etwa so schwer wie Hauskatzen (bis ca. 4,5 kg) und haben eine wunderschöne gefleckte Fellzeichnung, weshalb sie vor allem in Südamerika fast bis zum Aussterben gejagt wurden. Der Margay ist am leichtesten am namensgebenden langen Schwanz zu identifizieren. Da beide Arten sich viel in Baumkronen aufhalten, wo sie auch auf Jagd gehen, sind sie sehr schwer zu entdecken.
Sie brauchen unseren Schutz, um zu überleben
„Einer dieser Raubkatzenarten in freier Wildbahn zu begegnen ist schwierig bis nahezu unmöglich“, gibt Dr. Knobloch zu. Selbst für die erfahrene Biologin sind Sichtungen eine echte Rarität. Um die Faszination dieser Tiere nachvollziehen zu können, ist das auch gar nicht notwendig, meint die Wissenschaftlerin. „Vor einigen Jahren hat einmal eine schwarze Raubkatze in einiger Entfernung meinen Weg gekreuzt. Sie war zu klein für einen Jaguar. Es könnte ein Ozelot gewesen sein oder vielleicht doch sogar ein junger Jaguar. Es ging so schnell. Aber den Moment, als mich die Katze angeschaut hat, werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Es kam bei mir an wie eine Botschaft, den Wald zu schützen.“ Und dieses Ziel verfolgt die Forscherin bis heute mit Leidenschaft und Hingabe.