Herkunft von Groß- und Wassergeflügel
Wer sich für die Haltung und Zucht von Groß- und Wassergeflügel interessiert, sollte sich auch über Herkunft und Stammformen der Tiere informieren. Hier ein Überblick von Dr. Horst Schmidt.
Gänse
Mit Ausnahme der Gänserasse "Höckergans" stammen alle übrigen Rassegänse von der wildlebenden Graugans, Anser anser, ab. Neben der Nominatform ist die Unterart A.a.rubistrostis bekannt. Eine dritte Unterart A. a. sylvestris ist als eigenständig umstritten. Wilde Graugänse erreichen bei Gantern ein mittleres Gewicht von 3.455 g, bei der Gans 2.921 g. Ihre Verbreitung erstreckt sich über ganz Europa, das von A.a. rubistrostis über Russland und Zentralasien.
Vorzugsweise werden Biotope mit Moor- und Sumpfcharakter, Seen mit Randdickicht, Flussmündungen, aber auch bebaute Felder und Kulturwiesen von diesen Tieren bewohnt. Graugansweibchen bilden ein Gelege von 5 bis 10 Eiern, das ca. 28 Tage lang bebrütet wird. Frisch geschlüpfte Gössel wiegen 96 bis 122 g. Nach zwei Monaten sind sie flugfähig. Als Stammform für die domestizierte Höckergans gilt die wilde Schwanengans, Anser cygnoides, aus Ostasien. Die Ganter werden bis 3.500 g, die Gänse bis 3.400 g schwer. Die Brutzeit der Schwanengans beträgt 28 bis 30 Tage.
Von der Wildgans zum Haustier
Die Haustierentwicklung der Graugansabkömmlinge begann schon von 6000 bis 5000 v. Chr. Aus Ägypten sind sichere Funde aus der Zeit von 3000 v. Chr. belegt. Um 1500 v. Chr. war dort die Domestizierung abgeschlossen. Im 1. Jahrhundert n. Chr. war die Hausgans im römischen Reich weit verbreitet. Berühmt wurden die Gänse auf dem römischen Kapitol, die 388 v. Chr. als Wächter die Angriffe der Gallier anzeigten. In den USA und in Europa konnte die Hausgans erst in der Neuzeit stärkere Vermehrung erfahren. Die Haustierentwicklung von der wilden Schwanengans zur Höckergans begann in China und Japan, ohne dass genaue Zeitangaben bekannt sind. In Frankreich wurde eine schwere "Chinesische Gans" um 1750 beschrieben. Im 18. Jahrhundert waren diese Gänse auch in Nordamerika vorhanden. Die Haustierform wurde früher auch Schwan-, Trompeter-, Hongkong-, Guinea - und Russische Gans genannt. In Deutschland wurden 1763 die ersten Höckergänse beschrieben. Sie waren über Persien und Russ land importiert worden.
Enten
Zwei Wildenten-Arten gelten als Stammformen für die domestizierte Rasseente: die Stockente, Anasplatyrhynchos, für die meisten Hausenten-Schläge und für die Moschus-Ente, Cairina moschata. Stockenten, von denen in der Systematik mehrere Unterarten bekannt sind, bewohnen weitläufige Biotope. Die Nominatform ist in Europa von den Küsten bis ins Hochgebirge recht zahlreich vertreten. In Mitteleuropa wird ihr Bestand auf über 2 Millionen Exemplare geschätzt.
Oft leben die Bestände halbdomestiziert in von Menschen bewohnten Gebieten, mitten in Großstädten, und sind relativ oft mit entflogenen Hochbrutflug-Enten vermischt. Meist sind sie dann in der Gestalt größer und zeigen oft von der Wildfarbe abweichende Farb- und Zeichnungsmuster. Artenreine Stockenten haben 1.200 bis 1.400 g Erpelgewicht; die Enten wiegen 800 bis 1.200 g. Stockenten fliegen ausgezeichnet und können dabei eine erstaunliche Wendigkeit und Ausdauer zeigen. In freier Natur brüten die Weibchen ab Mitte April 7 bis 13 hellgrüne, graugrüne oder hellgelbe Eier in 24 bis 28 Tagen aus. Sieben bis acht Wochen bleibt der Mutterfamilienverband zusammen.
In menschlicher Obhut sollten Stockenten als Ziergeflügel möglichst artenrein gehalten und gezüchtet werden. Die Moschus -Ente als wilde Stammform der Warzenenten-Rasse wurde früher auch Bisam- oder Türkische Ente genannt. Bisamähnlicher Geruch, den die Ente absondert, war namensgebend. Auch in der Wildform zeigt sich der auffallende Geschlechtsdimorphismus in den Gewichten: Erpel wiegen bis 5000 g, Weibchen nur bis höchstens 2.800 g. In Färbung, Gestalt und Verhalten weichen Moschus-Enten von Stockenten erheblich ab. Arttypisch sind die mähnenartig verlängerten Kopf- und Halsfedern, besonders deutlich beim Erpel. Die Heimatgebiete der Moschus-Ente liegen in Mittel- und Südamerika. Dort bewohnt sie Sumpfgebiete mit hohem Baumbestand, wo sie in Höhlen ihre Brutnester anlegen. Das Gelege besteht aus 10 bi s 18 hellgrauen oder hellgrünen Eiern und wird 35 Tage lang bebrütet. Auch diese Wildart wird in Gehegen als Ziergeflügel gehalten und auf Ausstellungen präsentiert.
Die Haustierentwicklung der Enten
Die Haustierentwicklung der Stockentenabkömmlinge begann um 5500 v. Chr. im vorderen Orient. Aus Ägypten gibt es archäologische Zeugnisse über die Haltung von Hausenten um 1550 v. Chr. und in Italien sind Bronzeabbildungen von stilisierten Hausenten aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. gefunden worden. Die Zähmung von Stockenten in Griechenland ist aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. belegt. In Mitteleuropa gab es Entenbestände erst im 8. Jahrhundert n. Chr. Vor der Entdeckung Amerikas wurden Nachkömmlinge der Moschus-Ente bei indianischen Völkern Süd - und Mitteleuropas gehalten.
Puten
Alle Hausputenvarianten stammen von der Wildpute Meleagris gallopavo ab. In sieben Unterarten kommen diese großen flugfähigen Vögel im östlichen Nordamerika, Nord-Florida, Kansas, Mexiko, Mittel- und Südwest-Colorado und Texas vor. Die einzelnen Unterarten unterscheiden sich nur geringfügig in den Gefiederzeichnungen und dem Metallglanz auf dem Gefieder. Wildputen wiegen durchschnittlich 6.500 g (Hahn) und 4.100 g (Henne). Die Entwicklung zur domestizierten Hauspute begann wahrscheinlich schon in vorchristlicher Zeit durch Ureinwohner Süd - und Mittelamerikas. Nach Europa gelangten Puten im 15. Jahrhundert n. Chr.
Perlhühner
Die Wild-Perlhühner (Unterfamilie Numidinae) kommen in vier Gattungen vor: Waldperlhühner, Haubenperlhühner, Kräuselhaubenperlhühner, Helmperlhühner, Geierperlhühner. Als wilde Stammform des domestizierten Perlhuhnes gilt das Guinea Helmperlhuhn - Numida meleagris galeata. In westafrikanischen Steppengebieten der nördlichen Saharagrenze bis nördlich des Tschadsees, südwärts bis zum Sanagafluss in Kamerun und auf den Kapverdischen Inseln kommt diese Wildform vor. Auf Kuba, Jamaika, Haiti, Poerto Rico und auf St . Helena ist die Art eingebürgert. Das Aussehen dieses Wildperlhuhnes ähnelt stark dem Hausperlhuhn im Farbschlag Blau (Wildfarbig), allerdings ist das Gewicht der Wildform geringer (durchschnittlich 1.000 g, gegenüber bis zu 2.500 g beim Hausperlhuhn).
Wildperlhühner legen 12 bis 15 Eier mit einem Eigewicht von 45 g pro Brutsaison, Die Entwicklung von der Wild- zur Hauspute begann schon Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. Der lateinische Name rührt von der Sage, dass die Schwester des Königssohnes Meleagrides perlenförmige Tränen geweint habe, die auf dem Gefieder des Perlhuhnes abgebildet sind. Im römischen Imperium wurden Perlhühner um 79 n. Chr. in Großzuchten gehalten und kamen von dort nach Spanien, Portugal, in die übrigen europäischen Länder bis nach Russland. (Dr. Horst Schmidt)