Katzenhaltung in der Wohnung
Vor allem Stadtbewohner plagt hin und wieder das schlechte Gewissen, weil sie die "arme Katze" immer "eingesperrt" halten müssen. Oder sie versagen sich die Freude an einem schnurrenden Hausgenossen, um ihm dieses "widernatürliche" Leben zu ersparen.
Denn sie müssen einfach raus, rennen, Mäuse fangen oder was man halt so tut als Katze. Nun ... beides probiert, kein Vergleich? Doch. Das Thema ist durchaus geeignet, die Nation zu spalten, denn dass Wohnungskatzen nachweislich eine doppelt so lange Lebenserwartung haben wie Freigänger, fällt häufig nicht ins Gewicht, wenn es um die Frage geht: Stubenarrest, lange Leine (Garten) oder kurzes Leben? "Lieber kurz und dafür glücklich" hört man oft, ohne dass der jeweiligen Person bewusst wäre, wie kurz "kurz" tatsächlich sein kann. Eine ganze Reihe von Katzenbesitzern hat seine Lieblinge bereits im jugendlichen Alter verloren, und für viele Katzenhalter steht unverrückbar fest: Nie und nimmer. Wer hat nun die besseren Argumente?
Wohnung kontra Freigang
Katzen genießen es ungemein, draußen herumzustreifen, Mäuse zu fangen und zu verspeisen (oder ihren Menschen zu schenken). Sie lieben es, das zu tun, wonach immer ihnen der Sinn steht. Sämtliche Fähigkeiten, die ihrer Spezies eigen sind und die sie innerhalb der Wohnung logischerweise nie auf dieselbe Weise ausleben konnten, werden in Windeseile instinktsicher reaktiviert. Katzen "vergessen" nicht, sie passen sich an. Das ist seit Jahrtausenden ihre Stärke schlechthin, die ihnen das Überleben sicherte, zusammen mit jener, sich trotz alledem niemals selbst zu verlieren. Und deshalb können auch Wohnungskatzen sehr glücklich sein – nur halt "anders".
Der ganz normale Wahnsinn
Denn welcher Katzenfreund kennt nicht die berühmten "fünf" Minuten im Tagesablauf einer Wohnungs-Samtpfote? Sie rennt, was das Zeug hält, turnt Schränke rauf und runter, vollführt waghalsige Kunststücke auf dem Kratzbaum – je nach Rasse und Kampfgewicht wird die gesamte Wohnung zum Fitness-Parcours, eine heimliche Spielweise mit aufgetürmten Teppichen. Und alles das ohne jeden Grashalm, ohne Blümchen, Büsche, Bäume und Falter. Von Verkümmern kann keine Rede sein …
My Home is my Castle
Katzenhalter müssen ihre Vierbeiner nicht nur gut und richtig ernähren, dafür sorgen, dass sie in Ruhe ihre Mahlzeiten genießen und ungestört ihr Geschäft erledigen können, sie beschmusen, betüdeln und pfleglich behandeln, ihre Gesundheit im Auge behalten, einen anständig großen Kratzbaum samt allerlei Unterhaltendem – inklusive einem/mehreren Artgenossen – anschaffen – Katzenhalter müssen die Samtpfote auch – im wahrsten Sinne des Wortes – auch "leben" lassen.
Das heißt: Wir müssen unseren Alltag und unser Zuhause darauf einstimmen, dass wir eine Katze haben – ein Tier, das ganz besondere (nichtsdestotrotz leicht erfüllbare) Bedürfnisse hat und unter Umständen für Nippesfiguren eine andere Verwendung findet als wir. Und um zu wissen, wie diese Bedürfnisse aussehen könnten, müssen wir herauszufinden versuchen, wie Katzen allgemein – im Besonderen aber unsere eigenen – ticken, denn sie sind allesamt Originale.
Plädoyer
Katzen sollen und wollen geliebte Partner sein, die sich hinsichtlich der Rücksichtnahme und der Rechte, die ihnen einzuräumen sind und die das Zusammenleben erfordert, lediglich durch andere Ansprüche von zweibeinigen Partnern unterscheiden (sollten). Vielfach erfüllen sie zwar eine Ersatzfunktion für irgendetwas, das uns das Leben vorenthalten hat, aber daran ist nichts auszusetzen – sofern wir sie respektieren und ihrer Art gemäß behandeln. Dann wird es dem Vierbeiner gut gehen, er wird sich wohlfühlen, zufrieden und glücklich sein und nichts vermissen. Denn nur wir Menschen sind in der Lage, uns nach etwas zu sehnen, das wir nicht kennen oder noch nie gesehen haben. Das reicht nicht als Begründung, um Katzen die "goldene Freiheit" vorzuenthalten? Nicht jeder Sofatiger würde dieses wundervolle, aber auch recht gefährliche und zweifelhafte Glück der Freiheit samt seiner Abenteuer gern eintauschen gegen eine sichere Heimat und einen liebevollen, verständigen Menschen, der ihn sein lässt, was er ist: eine Katze. (Christine Klinka)