Was Nestlinge brauchen
Anders als bei den meisten Säugetieren machen die Vögel die ersten Stufen ihrer Entwicklung nicht im Bauch des Muttertiers, sondern in einer festen Eischale durch. Haben sie diese durchbrochen, stehen sie erst mal unter der Fürsorge ihrer Eltern.
Wenn die Jungen unserer Ziervögel aus dem Ei schlüpfen, sind sie winzige, nackte oder mit nur wenigen Dunen auf der Oberseite bewachsene Geschöpfe. Ihnen ist nicht anzusehen, dass sie zu hübschen Vögeln heranwachsen werden. Die ersten Tage sind zwar die schwersten, doch die Winzlinge haben schon eine unglaubliche Energie.
Schlupf
Die Wärme der Eltern ist nicht nur während des Brütens notwendig, sondern auch für die kleinen, nackten Nestlinge. Zum Zeitpunkt des Schlüpfens ist es meistens das Weibchen, das anwesend ist. Bei vielen Arten lassen die Embryonen vor dem Schlupf ganz leise ihre Stimme hören, das auch zur "Absprache" eines gemeinsamen Schlüpfens dient. Die Küken bohren mit Hilfe ihres aus Kalk bestehenden Eizahns ein Loch in die Eihäute. So kommen sie zu Atemluft und durchbrechen die Eischale meistens in zwei Teile. Dabei wird ihnen bei vielen Arten vom Weibchen geholfen. Die Weibchen fressen in der Regel die leere Eischale auf. Manche tragen sie möglichst weit vom Nest fort und lassen sie fallen. Das tun sie auch mit dem Kot der Nestlinge, der in einem Häutchenbeutel weit fortgetragen wird. Bei Weichfressern ist das die Regel, wenngleich an den ersten Lebenstagen die Ausscheidungen der Jungen gleich von der Kloake abgenommen und verschluckt werden. Bei den meisten kleinen Körnerfressern lässt die Nesthygiene schnell nach und die Jungen schieben sich mit dem Älterwerden immer weiter die Nestwände hinauf, um den hart werdenden Kot dort abzusetzen. Nestflüchter, zu denen zum Beispiel alle Enten- und Hühnervögel gehören, sind nach dem Schlupf aus dem Ei und dem Abtrocknen flauschig befiedert und sofort lauffähig. Sie nehmen auch die Nahrung sogleich selbst auf, die ihnen allerdings von den Eltern gezeigt bzw. vorgehalten wird.
Aufzucht
Die Nestlinge haben nach dem Schlupf eine Eigelb-Reserve mitbekommen, so dass es keinen Grund zur Sorge gibt, wenn sie am ersten Lebenstag nicht gefüttert werden. Manche betteln anfangs noch nicht mal. Die Fütterung beginnt mit kleinster Nahrung. Manche Körnerfresser, darunter Kanarienvögel, geben halbreife Samen und/oder gekeimte Körner. Auch klein gehacktes Grünes und Eifutter wird gegeben. Viele Körnerfresser geben den Nestlingen an den ersten Tagen überwiegend kleinste Insekten. wie zum Beispiel Ameisenpuppen, Blattläuse und Getreideschimmelkäfer, oder winzige Mehlkäferlarven. Weichfressern füttern die gleichen und noch weitere Futtertiere sowie Wiesenplankton. Wellensittiche füttern ihr Jungen alle zwei Tage bzw. je nach Größe. Während die größeren Vögel mehr und mehr Körner, Grünes und Weichfutter bekommen, erhalten die kleinsten Nestlinge ein eiweißreiches Sekret, die sogenannte Kropfmilch. Diese wird an den ersten fünf Tagen auch von den Tauben an ihre Jungen gegeben. Dann werden mehr und mehr Körner-, Keim-, Grün- und Eifutter, bei einigen auch Insekten gegeben. Hühner- und Entenvögel werden ebenfalls wie die anderen Körnerfresser ernährt. Sie stehen unter der Fürsorge ihrer Eltern, manchmal auch nur der Mutter. Auch wenn sie vom ersten Tag an ein dichtes Dunenkleid tragen, brauchen sie viel Wärme. Wann immer es geht, schlüpfen sie unter die Fittiche des Weibchens – besonders bei Kälte, Sturm und Regen. (Horst Bielfeld)