Reittherapie für Kinder: Therapiepferde im Lockdown

Die Coronakrise hat viele Unternehmen bis an den Existenzgrund gebracht. Neben Gastronomien und den Einzelhandel, die dabei oft im Fokus stehen, hat die Krise aber auch andere Bereiche stark getroffen. Regina Peter betreibt einen Pferde-Seniorenhof mit Reittherapie. Wie sehr sie die Pandemie trifft und alles zum Thema Reittherapie für Kinder lesen Sie hier.

Ein Pferdehof im Lockdown.
Ein Pferdehof im Lockdown. © Regina Peter

Regina Peter betreibt den Pferde-Seniorenhof „Alte Mühle Bruck“ bei Ebersberg, in der Nähe von München. Sie betreut dort 29 Pferde und Ponys, die meisten über 20 Jahre alt, und arbeitet viel mit Kindern und Jugendlichen: Sie bietet beispielsweise heilpädagogisches Reiten und Reittherapie an, arbeitet dafür auch mit dem Sozialreferat München und dem Jugendamt zusammen. Außerdem veranstaltet sie Ferienfreizeiten auf dem Hof und betreut Reitgruppen.

„Eigentlich funktioniert dieses System“, erklärt Peter. Ihre Arbeit erfüllt sie, sie kann Kindern und Jugendlichen helfen und mit Tieren arbeiten, gleichzeitig reichen die Einnahmen aus. Doch die Corona-Pandemie stellte den Hof im vergangenen Jahr vor große Herausforderungen – und tut das noch immer.

Die Folgen der Corona-Pandemie für den Pferdehof

Mit dem ersten Lockdown im März 2020 wurde auf dem Hof „Alte Mühle Bruck“ alles geschlossen: „Keine Reitstunden, keine Pferdefreizeiten“, erklärt Inhaberin Regina Peter. Im Sommer ging es dann langsam wieder aufwärts: Erst waren Einzelstunden, dann Kleingruppen erlaubt – bis am 1. November wieder alles geschlossen wurde.

Lediglich die Reittherapie in Einzelbetreuung darf Regina Peter gerade noch anbieten. Doch weil auf dem Hof alles auf Gruppenarbeit ausgelegt ist, sind das nur wenige Kinder: Während normalerweise etwa 150 Kinder pro Woche auf dem Hof sind, sind es aktuell gerade mal zwei oder drei. „Einige der Kinder, die eigentlich zur Einzelbetreuung kommen dürften, kommen aber nicht, weil sie oder ihre Eltern zu einer Risikogruppe gehören“, erklärt Peter.

Kurz gesagt: Es fallen eigentlich alle Einnahmen weg. Für Regina Peter ist das besonders dramatisch, denn sie muss neben sich selbst und ihren Kinder rund 40 Tiere versorgen. Immerhin beheimatet der Hof 29 Pferde, zwei Schafe, zwei Schweine, zwei Katzen und vier Hunde – keine günstige Angelegenheit.

Die Tiere brauchen Futter und müssen zum Tierarzt. Hinzu kommen Aspekte wie die Pacht, der Pferdeanhänger, Pferdeversicherungen und Hufschmiedkosten. Staatliche Unterstützung hat Peter bekommen: Zwischen 7.000 bis 9.000 Euro Soforthilfe im März. „Das klingt vielleicht erstmal viel“, so Peter, „für die Versorgung von fast 40 Tieren reicht es aber nicht lange.“ Die Novemberhilfe hat sie ebenfalls beantragt. Für den Dezember bekommt sie keine Unterstützung, weil sie in diesem Monat Spenden gesammelt hat.

Neben dem finanziellen Aspekt hat der Lockdown für Regina Peter noch eine weitere schlimme Konsequenz: „Wir sind ja kein normaler Reiterhof, sondern es geht bei uns um die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Es ist schrecklich, dass die Kinder nicht zu den Tieren können, gerade jetzt wo sie diese Nähe so sehr bräuchten“, erklärt sie.

Tiere versorgen
Regina Peter muss ihre Tiere versorgen, auch wenn durch Corona die Einnahmen fehlen. © Regina Peter

Not macht erfinderisch

Im Dezember hat Regina Peter schließlich fast die Hoffnung verloren, denn als die Kurse für das Jahr 2021 erst einmal gestrichen wurden, hatte sie gar keine Aussicht mehr auf Einnahmen. „Da ging es uns echt schlecht“, erzählt die ursprüngliche Bildhauerin und Kunsttherapeutin. Um die Tiere weiterhin versorgen zu können, mussten neue Ideen her. Die Lösung: Patenschaften und Merchandise-Produkte. Außerdem sammelte sie, wie auch schon im ersten Lockdown, Spenden online.

Peter ist überrascht, wie gut die Patenschaften ankommen. Sie habe nicht gedacht, dass so viele Menschen dazu bereit sind, Geld für ein Tier zu bezahlen, ohne dafür zum Beispiel reiten zu können, erklärt sie. Aber die Patenschaften ermöglichen es, die Beziehung zwischen Mensch und Tier gewissermaßen weiterzuführen. „Das ist ein großes Bedürfnis für viele Menschen“, so Peter. Sie können helfen, müssen aber anders als bei zum Beispiel einer Reitbeteiligung oder einem eigenen Tier keine Verantwortung übernehmen. Und wenn es dann irgendwann wieder geht, können die Paten auch persönlichen Kontakt zu ihren Patentieren haben.

Pferde Patenschaften
Patenschaften ermöglichen eine Beziehung zu den Pferden auch auf Distanz.© Regina Peter

Wie geht es weiter?

Aufgrund der Maßnahmen und den Spenden steht der Pferdehof „Alte Mühle Bruck“ aktuell relativ gut da. Ob das Geld reicht, ist Regina Peter zufolge jedoch unklar. „Wir wissen ja nicht, wie lange das Geld reichen muss“, sagt sie. Ihre Hoffnung ist, den Winter zu überstehen und im Frühling dann wieder teilweise öffnen und die Kinder zu den Pferden lassen zu können. In der Zwischenzeit versorgt sie die Kinder mit Geschichten, Fotos und Videos von den Pferden per e-Mail. So könne sie den Kindern den Kontakt zu den Pferden so gut es geht ermöglichen.

Feststeht: Weitergehen wird es auf jeden Fall irgendwie. Es habe bereits Gerüchte gegeben, dass die Tiere getötet werden müssen, wenn dem Hof das Geld ausgeht. Regina Peter stellt jedoch klar: Das stimmt nicht. Sie werde immer etwas finden, um das Geld für die Tiere zusammenzubekommen. Umso dankbarer ist sie den Spendern und Paten, die sie gerade so sehr unterstützen.

Nach der Krise wird sich auf dem Hof das ein oder andere ändern. „Aufgrund der Auflagen werden wir mit weniger Kindern in kleineren Gruppen arbeiten“, so Peter. Außerdem möchte sie einen langen Wunsch umsetzen: Eine Art „Seniorenheim“ für Tiere. Dort sollen alte Pferde, die nicht mehr zum Reiten oder der Arbeit mit Kindern geeignet sind, leben und Menschen sie besuchen können. Es solle eine Begegnungs- und Bildungsstätte werden, so Peter. Der bisherige Erfolg der Patenschaften hätte ihr gezeigt, dass viele Menschen Interesse am bloßen Kontakt zu Tieren haben. Das Projekt werde sie, sobald es möglich ist, endlich umsetzen.

Pferde füttern
Feststeht: Irgendwie wird es mit dem Reiterhof auf jeden Fall weitergehen! © Regina Peter

Schon gewusst? Das ist Reittherapie für Kinder!

Haben Sie schon einmal etwas über Reittherapie gehört? Regina Peter erklärt, was das eigentlich ist!

1. Für welche Kinder ist Reittherapie geeignet?

Reittherapie ist für ganz unterschiedliche Kinder geeignet. Hier einige Beispiele, in denen Reittherapie den Kindern helfen kann:

  • Frühförderung
  • Entwicklungsverzögerung
  • Lernschwäche
  • AD(H)S
  • selektiver Mutismus
  • Sprachentwicklungsstörung
  • Kinder aus dem autistischen Formenkreis
  • Kinder in Trauer oder besonderen Belastungssituationen (Trennung, neue Geschwister, Umzug…)
  • Kinder mit Gewalterfahrung (PTBS)

„Also im Grunde alles, wo es um Beziehung, Entwicklung, Selbsterleben, Selbst-und Fremdwahrnehmung geht“, erklärt Regina Peter.

Kind und Pferd
Reittherapie ist für ganz verschiedene Kinder geeignet. © Regina Peter

2. Wie hilft Reittherapie den Kindern?

Die Reittherapie hilft Kindern auf ganz verschiedene Weisen, wie Regina Peter erklärt:

  • Pferde sind Eisbrecher für Kinder: Sie vereinfachen den Kontakt zwischen Therapeut und Kind und unterstützen das Kind dabei, sich zu öffnen.
  • Pferde leben im Hier und Jetzt. „Sie regen durch ihre ständige Präsenz geistige Aktivität an. Sie fordern das Kind, im Augenblick und in der Situation zu bleiben“, so Peter.
  • Die Kinder lernen Neues, sowohl kognitiv als auch fein-und grobmotorisch, und das gerne.
  • Pferde können emotionale Lücken ausfüllen und Vertrauenspersonen bei Sorgen und Problemen sein. „Es liegt in der Natur des Pferdes Anteil zu nehmen“, so Peter.
  • Durch Fortschritte im Umgang und beim Reitenlernen wird ein positives Selbstkonzept ermöglicht.
  • „Das Zusammensein mit dem Tier und das Reiten wirken stimmungsaufhellend“, so Peter. Alleine die Nähe wirke bei positiver Grundeinstellung entspannend und blutdrucksenkend. „Das Pferd erlaubt eine positive Körperlichkeit, die bei Menschen vielleicht nicht möglich oder sogar negativ besetzt ist.“
  • Das Kind lernt Verantwortung zu übernehmen.

Auch im körperlichen Bereich hilft die Reittherapie durch Bewegungsübertragung, Bewegungsimpulse und mehrdimensionale Schwingungsimpulse des Pferdes. Dadurch könnten Peter zufolge körperliche Handicaps ausgeglichen werden. Das Reiten aktiviere die Rückenmuskulatur und biete eine Kompensation der Belastung durch Ausgleichung.

„Durch das Reiten kann das Kind in körperliches und emotionales Gleichgewicht begleitet werden. Und es ist einfach ein gutes und heilendes Erleben, getragen zu werden“, so Regina Peter

3. Wie läuft eine Reittherapiestunde ab?

Nachdem das Kind angekommen ist, wird besprochen, was in dieser Stunde gemacht wird und mit welchem Pony das Kind die Stunde verbringt. Abgestimmt auf das Kind und die vom Kind mitgebrachte Thematik wird die gemeinsame Stunde gestaltet:

Es folgen Pony holen, Pony putzen und satteln, reiten, spielen oder spazieren gehen. Dabei helfen Spielsachen wie zum Beispiel Bälle, Pylonen, Stangen, aber auch Geschichten, Imaginationen und Bilder. Danach wird das Pony abgesattelt, verwöhnt und verabschiedet. Abschließend bespricht Regina Peter mit den Kindern noch, wie die Stunde für sie war und sie sammeln gemeinsam Wünsche und Ideen für die nächste Stunde.

Bei jeder Stunde steht immer ein besonderes Thema im Vordergrund. Solche Themen sind zum Beispiel Selbstwahrnehmung, Achtsamkeit, Konzentration, Vertrauen, Respekt, Entspannung und viele mehr. „Es gibt jede Menge Ansätze, bei der uns das Pferd als Co-Therapeut hervorragend unterstützen kann“, so Peter.

4. Wie viel kostet Reittherapie für Kinder?

Eine Therapiestunde kostet, wie Regina Peter erklärt, in der Regel mindestens 65 Euro. Von der Krankenkasse wird das meist nicht unterstützt. Da viele betroffene Familien aber nicht so viel Geld haben, sind sie zum Teil auf Unterstützung angewiesen. Es gibt unterschiedliche Institutionen, die solchen Familien mit Zuschüssen helfen, zum Beispiel den Verein "Tierisch Heilen e.V." Weitere Möglichkeiten seien die Pflegekasse, das Jugendamt oder Sozialämter. Klappe das alles nicht, so könne man den Betrag auch mal an die Möglichkeiten der Familie anpassen, so Peter.

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