Wasserschildkröte

Mit etwa 313 Arten stellen die Schildkröten nur einen recht geringen Anteil am Gesamtvolumen der Kriechtierarten, etwa 3,5 Prozent. Aufgrund ihres Körperbaus nehmen sie innerhalb der Reptilien jedoch eine Sonderstellung ein.

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Das sind Gelbwangen-Schmuckschildkröten.© Thomas Brodmann / animals-digital.de

 

Aussehen und Verbreitung der Wasserschildkröte

Der charakteristische Knochenpanzer ist ein Bestandteil des Skeletts, die vier Extremitäten sind entweder als rundliche Füße oder als abgeflachte Flossen ausgebildet. Die Gliedmaßen, der Kopf und der Schwanz können unterschiedlich weit in den Panzer zurückgezogen werden. Sie sind weltweit auf allen Kontinenten verbreitet, außer in den sub- und arktischen Regionen. Alle Habitate haben sie erobert und sind deshalb in ariden Gegenden bis zum feuchten Regenwald anzutreffen. Die vertikale Verbreitung reicht von unterhalb Meereshöhe bis in die unteren Gebirgszonen. Sie ernähren sich carnivor und auch herbivor, zumeist jedoch omnivor (Allesfresser). Alle Schildkröten vermehren sich durch Eiablage.

Die systematische Zuordnung erfolgt zunächst in zwei Unterordnungen, die durch die Bewegung des Halses gekennzeichnet ist. Weiterhin sind sie in insgesamt fünf Überfamilien, dann in die Familien, Unterfamilien, Gattungen und Arten mit ihren Unterarten klassifiziert. Jede Kategorie hat festgelegte Charakteristika, die nicht immer äußerlich erkennbar sind. Die Systematik befindet sich ständig im Wandel, da sie den neusten Forschungsergebnissen angepasst wird.

Unterordnung Cryptodira (Halsbergerschildkröten)

Alle Mitglieder bergen ihren Kopf mittels einer vertikalen S-förmigen Bewegung des Halses unter dem Panzer oder besitzen den entsprechenden Schädelbau.

  1. Überfamilie Testudinoidea (Landschildkrötenartige) Hier sind die Eigentlichen Landschildkröten sowie die Altwelt- und Neuwelt-Sumpfschildkröten zusammengefasst. Ihre Mitglieder weisen gut entwickelte Extremitäten auf. Sie sind weltweit in den Tropen und Subtropen mit Ausnahme von Neuguinea und Australien verbreitet.
    1. Familie Emydidae (Neuwelt-Sumpfschildkröten) Kleine bis mittlere Schildkröten (Panzerlänge 8 bis 40 cm), die in Europa östlich bis zum Ural und angrenzende Gebiete und in Nordamerika südlich bis ins nordöstlich Brasilien verbreitet sind. Überwiegend sind sie Süßwasserbewohner, einige Arten leben jedoch an Land. Die Anzahl der Eier pro Gelege ist zumeist klein. Sie ernähren sich gewöhnlich omnivor und sind in die Unterfamilien Emydinae (Eigentliche Neuwelt-Sumpfschildkrötenverwandte) und Deirochelyinae (Langhals-Schmuckschilkrötenverwandte) unterteilt. Steckbriefe: Südliche Zierschildkröte (Chrysemys picta dorsalis) Rotwangen-Schmuckschildkröte (Pseudemys scripta elegans) Mississippi-Höckerschildkröte (Graptemys konii)  
    2. Familie Testudinidae (Landschildkrötenverwandte) Kleine bis sehr große Schildkröten (Panzerlänge 8,5 bis 130 cm), die sich überwiegend von pflanzlichen Stoffen ernähren. Ihre Gelegegrößen sind mäßig groß, meist mit bis zu 20 Eiern. Besonders die kleineren Arten sind beliebte Terrarienpfleglinge. Steckbriefe: Steppenschildkröte (Testudo horsfieldii) Maurische Landschildkröte (Testudo graeca) Griechische Landschildkröte (Testudo hermanni) Breitrandschildkröte (Testudo marginata)  
    3. Familie Geoemydidae (Altwelt-Sumpfschildkröten) Siedeln in Südeuropa östlich bis Japan und südöstlich bis in die Sundaregion, in Nordafrika sowie in Zentral- und dem nördlichen Südamerika. Kleine bis sehr große Mitglieder (13 bis 80 cm) gehören der Familie an, die sowohl aquatil als auch terrestrisch leben. Unterfamilien: Batagurinae  (Batagurschildkrötenverwandte) und Geoemydinae (Erdschildkrötenverwandte). Steckbriefe: Chinesische Dreikielschildkröte (Chinemys reevesii)
  2. Überfamilie Trionychoidea (Weichschildkrötenverwandte)
    1. Familie Carettochelyidae (Schweinenasen-Weichschildkröten) Sind in einer Art und Gattung nur im südlichen Neuguinea und im nördlichen Australien verbreitet. Panzerlängen bis 55 cm sind bekannt. Sie verlassen das Wasser nur zur Eiablage, ernähren sich omnivor, scheinen aber herbivore Kost zu bevorzugen. Ihre Gelege enthalten 7 bis 19 Eier. Namensgebend ist die rüsselartig verlängerte Nase.
    2. Familie Trionychidae (Eigentliche Weichschildkröten) Weisen einen weichen Panzer auf, der nicht mit harten Schilden bedeckt ist und denen die Randknochen fehlen. Sie sind stark an das Süßwasser gebunden, sonnen sich eher selten und verlassen es oft nur zur Eiablage. Die Mitglieder der Unterfamilien Cyclanorbinae (Weichklappenschildkrötenverwandte) erreichen 37 bis 60 cm Panzerlänge und sind in Afrika südlich der Sahara und in Südasien verbreitet. Die Unterfamilie Trionychinae (Eigentliche Weichschildkrötenverwandte) sind im östlichen Nordamerika, dem südlichen Asien bis Japan und südöstlich bis Neuguinea sowie zentralen Afrika südlich der Sahara bis Südwestasien und dem südöstlichen Europa verbreitet. Sie beherbergt Arten, die 100 cm Panzerlänge überschreiten können.
  3. Überfamilie Kinosternoidea (Schlammschildkrötenartige)
    1. Familie Dermatemydidae (Tabascoschildkröten) Besiedeln in einer Art und Gattung das westliche Mittelamerika, wo sie bevorzugt in großen Flüssen und Seen anzutreffen sind. Ihr Panzer kann bis 65 cm groß werden, und junge sowie adulte Tiere ernähren sich ausschließlich herbivor. Gelege können bis zu 20 Eier beinhalten.  
    2. Familie Kinosternidae (Eigentliche Schlammschildkrötenverwandte) Aquatil lebende Schildkröten, die vom östlichen Nordamerika bis zum Amazonasbecken verbreitet sind. Die kleinen bis mittelgroßen Schildkröten (Panzerlängen 8 bis 38 cm) sind dämmerungs- und nachtaktiv. Besonders die kleineren Arten sind beliebte Terrarienpfleglinge. Mitglieder der Unterfamilie Kinosterninae (Schlammschildkrötenverwandte) haben gut ausgebildete Bauchpanzer, die Staurotypinae (Kreuzbrustschildkrötenverwandte) sind an ihren sehr kleinen Bauchpanzern gut zu erkennen. Die Eianzahl der Gelege ist klein, maximal zehn Eier, meist weniger. Ihre Ernährung ist omnivor bis carnivor. Steckbriefe: Moschusschildkröte (Kinosternon odoratus)
  4. Überfamilie Chelonioidea (Meeresschildkrötenverwandte) Bewohnen die tropischen, subtropischen und gemäßigten Meere. Ihre Extremitäten sind von flossenartiger Form. Sie können ihren Kopf nicht in den Panzer zurückziehen, zeigen aber den entsprechenden, zu den Halsbergern gehörenden Schädelbau. Ihre Gelege werden an Stränden im Sand eingegraben.  
    1. Familie Cheloniidae (Eigentliche Meeresschildkröten) Große Schildkröten bis etwa 60 cm Panzerlänge. Sie ernähren sich je nach Art von Korallen, Weich-, Krebs-, Hohltieren und Fischen oder vegetarisch von Tangpflanzen. Mehrmals in der Saison werden Gelege mit bis über 100 Eier abgesetzt. Sie sind in die Unterfamilien Carettinae (Karettschildkrötenverwandte) und Cheloniinae (Suppenschildkrötenverwandte) unterteilt.  
    2. Familie Dermochelyidae (Lederschildkröte) Bewohnen in einer monotypischen Gattung weltweit die tropischen und kühleren Meere. Sie ist die größte lebende Schildkröte und kann eine Panzerlänge von 170 cm und ein Gewicht von 680 kg erreichen. Sie ernährt sich überwiegend animalisch.
  5. Familie Chelydridae (Schnappschildkrötenartige) Weisen getrennte Verbreitungsgebiete in Südostasien und dem südöstlichen Nord- sowie Teilen Zentral- und dem nördlichen Südamerika auf. Sie beherbergen mittlere bis große Schildkröten (Panzerlänge 18 bis 80 cm), die alle lange Schwänze aufweisen. Sie bewohnen  Süß- und Brackwasser in Flüssen, Seen und Sümpfen, sowie in schnell fließendem, kaltem Wasser. Ihre Ernährung wird überwiegend durch tierische Nahrung sichergestellt. Sie werden in die Unterfamilie Chelydrinae (Schnappschildkrötenverwandte) und Platysterninae (Großkopfschildkrötenverwandte) unterteilt. 

Unterordnung Pleurodira (Halswender)

Alle Mitglieder legen ihren Kopf mittels einer horizontalen S-förmigen Bewegung des Halses unter den Panzer.

  1. Überfamilie Pelomedusoidea (Pelomedusenschildkrötenverwandte)
    1. Familie Pelomedusidae (Afrikanische Halswenderverwandte) Kleine bis große Halswender (Panzerlänge 12 bis 46 cm), die in zwei Gattungen in 19 Arten Afrika südlich der Sahara, Madagaskar und die Seychellen bevölkern. Sie bewohnen sogar kleinste Wasserlöcher und müssen daher in den Trockenzeiten über Land zu anderen Gewässern wandern oder eingegraben eine Trockenruhe vollführen.  
    2. Familie Podocnemididae (Schienen-Schildkrötenverwandte) Mittlere bis große (20 bis 80 cm Panzerlänge), in Südamerika und Madagaskar siedelnde Halswender. Es handelt sich um Flussschildkröten, die gut schwimmen können und das Wasser nur zum Sonnen oder zum Eierlegen verlassen. Familie Chelidae (Austral-Amerikanische Halswenderverwandte): in Australien, Neuguinea und Südamerika verbreitet. Die kleinen bis mittelgroßen Schildkröten (Panzerlänge 15 bis 48 cm) führen eine aquatile oder semiaquatile Lebensweise im Süßwasser. Ihre Nahrung besteht überwiegend aus Fisch und anderen wasserbewohnenden Tieren. Es werden folgende Unterfamilien anerkannt: 1. Chelodininae (Australische Schlangenhalsschildkrötenverwandte), 2. Chelidinae (Südamerikanische Halswenderverwandte) und 3. Hydromedusinae (Südamerikanische Schlangenhalsschildkröten) Steckbriefe: Chelodina longicollis (Glattrücken-Schlangenhalsschildkröte)
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