Weidehaltung von Rindern
Wer sich Rinder anschaffen möchte, muss sich zunächst mit deren grundlegenden Ansprüchen an eine artgerechte Haltung vertraut machen.
Natürliche Haltungsform
Wildrinder lebten und leben zum Teil auch heute noch in Herdenverbänden mit fester Rangordnung in unterschiedlichen Lebensräumen und Klimazonen. Die Weidehaltung in festen Gruppen stellt daher auch für unsere Hausrinder die natürlichste Haltungsform dar. Als Schutz gegen direkte Sonneneinstrahlung dienen zum Beispiel Baumgruppen, Wetterschutzhütten oder auch aufgetürmte Strohballen. Selbst im Winter können viele robuste Rassen problemlos im Freien gehalten werden, sofern ihnen ein entsprechender Schutz vor Wind und anhaltender Nässe zur Verfügung steht. Ein trockenes Strohlager muss ebenfalls vorhanden sein, um die empfindliche Bauch- und Euterpartie beim Abliegen zu schützen.
Wasserbedarf
Hat die Weide einen Zugang zu einer natürlichen Wasserquelle (Bach, Fluss, See, Quelle), so ist die Trinkwasserversorgung in der Regel ausreichend. In heißen Sommern oder kalten Wintern muss selbstverständlich beim Eintrocknen oder Zufrieren der Wasserquelle für Ersatz gesorgt werden. Dies kann etwa ein fahrbares Tränkefass sein, an dem die Rinder mittels eines mechanischen Druckhebels den Wasserfluss in Gang setzen können (Vorsicht: können im Winter ebenfalls zufrieren!). Man rechnet eine Tränkeeinrichtung für 10 bis 15 Rinder. Immer muss der Wasserbedarf von etwa 80 Liter pro ausgewachsenem Rind und Tag gedeckt sein. Da Rinder nicht längere Zeit ohne Wasser auskommen können, kommt der Pflege und Wartung der Tränkeeinrichtung eine besonders große Bedeutung zu.
Zufüttern
Bei ganzjähriger Freilandhaltung muss mit dem Nachlassen des Graswuchses im Herbst und Winter zugefüttert werden. Bewährt haben sich hier überdachte Raufutterraufen, in denen große Ballen Heu oder auch Silo Platz finden und von den Rindern von außen durch die Raufengitter abgefressen werden können.
Zubehör
Rinder haben natürlicherweise ein ausgeprägtes Bedürfnis, sich zu scheuern und zu kratzen. Dies dient unter anderem auch der Abwehr lästiger Parasiten und ist für das Wohlbefinden der Tiere nicht unerheblich. Auf der Weide dienen zum Beispiel Bäume, Baumstümpfe, dicke Äste oder fest verankerte Pfosten als willkommene Scheuermöglichkeiten. Um bei Bedarf einzelne Tiere von der Herde separieren zu können, sind entsprechende Fang- und Behandlungseinrichtungen auf der Weide empfehlenswert.
Mutterkuhhaltung
Eine besonders natürliche Haltungsform ist die gemeinsame Weidehaltung von Kühen mit ihren Kälbern. Dabei wird die Milch der Kuh allein von ihrem Kalb genutzt, das in der Regel in verkehrt paralleler Stellung zum Muttertier, also mit seinem Po zum Kopf der Kuh steht und am Euter saugt. Bis zu einem Alter von zehn Monaten säugt die Kuh normalerweise das Kalb. Für die Mutterkuhhaltung eignen sich besonders robuste, widerstandsfähige Rassen, die vor allem für die Fleischgewinnung gezüchtet sind (zum Beispiel Charolais, Galloway, Limousin, Schottisches Hochlandrind). Neben den schon beschriebenen Schutzeinrichtungen gegen Witterungseinflüsse müssen bei dieser Haltungsform zusätzlich Kälberschlupfe eingerichtet werden, in die sich zwar die Kälber, nicht aber die ausgewachsenen Rinder zurückziehen können. Mehrere Kälber bilden bereits im Alter von wenigen Tagen regelrechte Spielgruppen, womit dem Sozialverhalten Rechnung getragen wird. Gerechnet wird für eine Kuh mit Kalb eine Weidefläche von etwa 0,3 bis 0,5 Hektar bei durchschnittlicher Boden- und Vegetationsqualität.
Eine besondere Form der Mutterkuhhaltung ist die sogenannte Ammenhaltung, bei der eine Mutterkuh zusätzlich zu ihrem eigenen Kalb noch ein fremdes Kalb adoptiert und ebenfalls säugt. So kann die Mutterkuh des Adoptivkindes zur Milchgewinnung genutzt werden, während das Kalb dennoch in einer möglichst natürlichen Form großgezogen wird. Läuft in der Mutterkuhherde auch noch ein Bulle mit, so ist zusätzlich dem natürlichen Sexualverhalten der Rinder durch den Natursprung Rechnung getragen.
Landschaftspflege
Bedingt durch ihr gleichmäßiges Weideverhalten eignen sich Rinder auch für den Einsatz in der Landschaftspflege und zur Beweidung extensiver Grünflächen. Da in diesen speziellen Haltungssystemen der Einfluss des Menschen relativ gering ist und die Rinderherden zumindest über längere Zeiträume nicht unbedingt direkt kontaktiert werden müssen, kann es durchaus dazu kommen, dass die Tiere eine gewisse Scheu vor Menschen aufbauen. Daher sollten hier bevorzugt gutmütige, friedliche Rassen eingesetzt werden (zum Beispiel Angus, Schottisches Hochlandrind, Ungarisches Steppenrind, Yak, Zwergzebu). Ganz wichtig ist auch hier die regelmäßige Überprüfung der Haltungseinrichtungen wie Tränke oder Umzäunung. Der Platzbedarf ist bei extensiv bewirtschafteten Flächen durch die geringere Qualität des Futters höher und wird pro Kuh mit Kalb bei eineinhalb bis zwei Hektar angesetzt. (Heike Pankatz)