Vikunja

Gefährlich wurde es für die Kleinkamele in Peru erst mit dem Eintreffen der spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert. Diese töteten die Vikunjas zu Tausenden - die feine Wolle hatte es ihnen angetan.

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© Hartmut Jungius

Gerade einmal 55 Kilogramm bringen die südamerikanischen Kleinkamele auf die Waage, und sie sind kaum größer als Schafe. Ihr Lebensraum ist das Hochland der Anden von Peru bis Chile. In Höhenlagen von 3.700 bis 4.600 Metern besiedeln sie die Puna oder Altiplano genannte Landschaft zwischen Baum- und Schneegrenze. Ein ungemütlicher und unwirtlicher Lebensraum: In der Nacht fällt die Temperatur oft unter den Gefrierpunkt, tagsüber brennt die Höhensonne unerbittlich. Die Regenzeit wartet mit heftigen Regenfällen auf, auch Hagel und Schnee sind nicht selten. Die Vikunjas haben sich an das Leben in der Höhe gut angepasst. So kann ihr Blut den Sauerstoff der dünnen Luft besonders gut aufnehmen. Ihr Herz ist außerdem deutlich voluminöser als das von Säugetieren vergleichbarer Größe. Gegen die unfreundliche Witterung im Hochland schützt sie zudem ihr außerordentlich feines Fell. Die Wolle der kleinen Andenkamele ist die feinste der Welt. Lediglich einen Zehntelmillimeter misst ein Haar im Durchmesser, selbst Kaschmir ist gröber.

Aus diesem Grund schätzten bereits die Inkas die Vikunjas und verehrten sie als heilige Tiere. Kleidungsstücke aus Vikunjawolle waren Königen und Fürsten vorbehaltene Statussymbole. Die Jagd war bei den Inkas jedoch streng reglementiert und gefährdete nie die Bestände. Gefährlich wurde es für die Kleinkamele erst mit dem Eintreffen der spanischen Eroberer im 16. Jahrhundert. Die Konquistadoren töteten die Vikunjas zu Tausenden - die feine Wolle hatte es ihnen angetan. Seitdem hielt der Niedergang der Bestände an. Von den ehemals weit mehr als einer Million Tieren blieben bis zu den 1960er-Jahren weniger als 10.000 Exemplare übrig. Die dann kurz vor dem Aussterben der Art eingesetzten Schutzprogramme und ein internationaler Handelsstopp mit der Wolle der Tiere erwiesen sich als nicht ausreichend oder nicht durchsetzbar. Wilderer schossen die Vikunjas mit dem wertvollen Fell weiterhin. Auch Kontrollen und Schutzpatrouillen konnten nur begrenzte Erfolge aufweisen. Die Wende brachte ironischerweise erst die erneute Handelsfreigabe der Wolle. Seit 1987 dürfen Vikunjas in Chile und Peru und später auch in Argentinien und Bolivien wieder eingefangen, geschoren und ihre Wolle verkauft werden. Man beschloss, das wertvolle Fell der wilden Tiere zu nutzen, allerdings ohne sie zu töten - ein Konzept, dass sich als ausgesprochen erfolgreich erwies. Einmal im Jahr veranstalten die lokalen Dorfgemeinschaften eine Treibjagd, bei der sie die Vikunjas eingefangen, scheren und anschließend wieder freilassen. Der Verkauf der Wolle sichert ihnen ein beträchtliches Einkommen. Ein Kilo des seltenen Rohstoffs bringt auf dem Weltmarkt rund 350 Dollar. Das ist viel Geld für die Kommunen in einigen der ärmsten Regionen Südamerikas. Gleichzeitig haben die Gemeinden jetzt ein Interesse, die Art zu erhalten. Wilderei wird mittlerweile streng verfolgt. Erste Erfolge konnten bereits verzeichnet werden: Die Bestandszahlen erholen sich langsam, weil jedes Tier rund 300 Gramm Wolle zu seiner Arterhaltung beiträgt. Doch Entwarnung kann noch nicht gegeben werden. Von der Weltnaturschutzunion IUCN wird das Vikunja noch immer als gefährdet eingestuft.

Im Gegensatz zu ihren höckertragenden Verwandten haben Vikunjas keinen Flüssigkeitsspeicher. Sie müssen täglich trinken. Im trockenen Hochland kann das ein ernstes Problem bedeuten. Wenn nicht gerade Regenzeit herrscht, entsteht Wasser hier hauptsächlich durch kondensierenden nächtlichen Nebel. Während der Trockenheit von Herbst bis Frühjahr kann man die Tiere daher häufig in der Nähe der wenigen Wasserstellen antreffen. Die Nahrung der Vikunjas besteht aus Gräsern und Kräutern. Selbst karge felsige Flächen mit niedrigem Bewuchs weiden sie ab. Da ihr Gebiss dabei stark beansprucht wird, wachsen die Vorderzähne der Vikunjas ein Leben lang nach.

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