Immer mehr tote Küken durch Floh- und Zeckenschutzmittel von Hund und Katze
Viele Singvögel wie Kohlmeisen verwenden nicht nur Zweige und Moos, sondern auch Tierfell für den Nestbau. Warum das für sie tödlich enden kann.
Gängige Flohmittel für Haustiere bedrohen Singvögel, denn viele Singvögel wie Kohlmeisen verwenden nicht nur Zweige und Moos, sondern auch Tierfell für den Nestbau. Doch genau das kann für ihren Nachwuchs gefährlich werden, wie eine britische Studie zeigt. Die enthaltenen Insektizide könnten zu erhöhter Nestlingssterblichkeit und langfristig sogar zu einem Rückgang der Vogelpopulationen führen.
Pestizide als Risiko für Vögel
Schon lange ist bekannt, dass Pestizide eine Bedrohung für Vögel darstellen. Bisher lag der Fokus auf landwirtschaftlichen Rückständen, doch eine neue Untersuchung deutet darauf hin, dass auch Flohmittel für Haustiere gefährliche Auswirkungen haben könnten.
Obwohl Pestizide gezielt gegen bestimmte Schädlinge wirken sollen, haben sie oft auch negative Folgen für andere Tiere. Bei Vögeln führen sie unter anderem zu dünneren Eierschalen, kleineren Gelegen und einer erhöhten Sterblichkeit der Jungvögel. Deshalb sind einige dieser Mittel in der Landwirtschaft bereits verboten, finden aber nach wie vor Verwendung in der Haustierpflege.
Laut Schätzungen wurden rund 80 Prozent der Hunde und Katzen in Großbritannien mit Flohmitteln behandelt. Die Wissenschaftler stellten die Hypothese auf, dass Nester, die hohen Konzentrationen dieser Substanzen ausgesetzt sind, eine erhöhte Anzahl ungeschlüpfter Eier und toter Nestlinge enthalten könnten. Aber wie gelangen diese Stoffe in die Nester?
Rückstände von Flohmitteln in Vogelnestern
Flohmittel enthalten Wirkstoffe wie Fipronil, Imidacloprid und Permethrin, die nach der Anwendung lange im Fell der Tiere verbleiben und in die Umwelt gelangen. Singvögel sammeln Haare und Unterwolle für den Nestbau, wodurch die Chemikalien in direkten Kontakt mit den Eiern und Nestlingen kommen.
Einige Hundebesitzer bürsten ihre Tiere sogar gezielt in Parks oder Wäldern aus und lassen das Fell für die Vögel zurück – mit potenziell tödlichen Folgen. Denn in einer aktuellen Studie fanden Forscher in jedem untersuchten Nest Rückstände von Insektiziden.
Untersuchung von 237 Nestern
Wissenschaftler analysierten Nester von Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) und Kohlmeisen (Parus major), die zwischen September und Oktober 2020 von Freiwilligen gesammelt wurden. Insgesamt wurden 237 Nester aus städtischen und ländlichen Gebieten untersucht, um die Exposition gegenüber Insektiziden zu vergleichen.
Es wurden 15 häufig verwendete Pestizide sowie deren Abbauprodukte analysiert. Mittels moderner Labortechniken bestimmten die Forscher die Konzentrationen dieser Stoffe im Nestmaterial. Parallel dazu wurden unbefruchtete Eier und tote Nestlinge gezählt, um Zusammenhänge zwischen Insektizidrückständen und der Vogelsterblichkeit festzustellen.
Kein Nest war frei von Insektiziden
Die Ergebnisse waren alarmierend: Jedes untersuchte Nest enthielt Rückstände von Insektiziden, im Durchschnitt wurden 6,3 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen. "In unserer Untersuchung war kein einziges Nest frei von Insektiziden", erklärt die Hauptautorin Cannelle Tassin de Montaigu gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian".
Besonders häufig nachgewiesene Stoffe waren Fipronil (in 100 Prozent der Proben), Imidacloprid (88,3 Prozent) und Permethrin (87,4 Prozent). Diese Chemikalien stammen vermutlich hauptsächlich aus Flohmitteln und Zeckenschutzpräparaten für Haustiere, da ihr Einsatz in der Landwirtschaft verboten ist.
Städtische Nester hatten höhere Sterblichkeit
Die Analyse ergab außerdem, dass höhere Konzentrationen von Fipronil und Imidacloprid mit einer erhöhten Zahl unbefruchteter Eier und toter Nestlinge zusammenhingen. Besonders in städtischen Gebieten, wo die Belastung mit Insektiziden höher war, fanden die Forscher eine größere Anzahl verstorbener Jungvögel.
Die Vögel könnten die Chemikalien über direkten Hautkontakt mit dem kontaminierten Fell oder beim Nestbau und Putzen aufnehmen.
Problem könnte größer sein als angenommen
Die gemessene Belastung variierte zwischen 0,83 ng/g und 11.043 ng/g Haar. Laut den Wissenschaftlern dürften die tatsächlichen Werte aber noch höher sein. "Wir haben unsere Untersuchungen am Ende der Brutsaison durchgeführt, sodass die Situation in der Hochsaison noch gravierender sein könnte", erklärt Tassin de Montaigu.
Da Flohmittel vor allem im Frühling und Sommer eingesetzt werden – genau dann, wenn die meisten Vögel brüten – könnten die Folgen für die Populationen noch schwerwiegender sein als bislang angenommen.
Gefahr auch für deutsche Singvögel
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Insektizide aus Tierarzneimitteln nicht nur in Großbritannien eine Gefahr für Wildvögel darstellen. Auch in Deutschland sind Flohmittel mit Fipronil, Permethrin und anderen Wirkstoffen verbreitet, die Singvögel wie Meisen belasten könnten.
Haustierbesitzer sollten dies bei der Anwendung solcher Mittel bedenken. Zwar lassen sich Haarverluste nicht ganz vermeiden, doch es sollte vermieden werden, Hunde in Parks oder Wäldern auszukämmen und das Fell bewusst den Vögeln zu überlassen. Zudem eignet sich Hundefell ohnehin nicht für den Nestbau, da sich Nestlinge mit ihren Flügeln oder Beinen in den Haaren verfangen könnten.
Notwendigkeit weiterer Untersuchungen
Obwohl die Studie eindeutige Hinweise auf die Gefahr von Flohmitteln für Singvögel liefert, wurde keine direkte Kausalität nachgewiesen. Andere Umweltfaktoren wie Wetter oder Nahrungsknappheit könnten ebenfalls eine Rolle spielen.
Die hohe Belastung der Nester bleibt jedoch besorgniserregend und zeigt, dass weitere Forschung sowie Maßnahmen zur Begrenzung der Umweltkontamination erforderlich sind.
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