Milliarden Zugvögel schwärmen für Afrika
Um dem winterbedingten Nahrungsmangel zu entgehen, flüchtet ein Großteil der heimischen Vögel bereits gegen Ende des Sommers und im Herbst in Richtung Süden. Die einen zieht es in die milden Regionen Europas, die anderen fliegen sogar bis nach Afrika.
Wenn es im Norden Europas kälter wird, müssen sich die Zugvögel sputen, die 1.500 Kilometer unfruchtbaren, wasserlosen Landes zu überqueren. Drei Tage brauchen sie in der Regel dazu, aber nicht alle schaffen es – auf die, die am Ende ihrer Kräfte sind, lauern schon Echsen und andere Gefahren.
Eine weite Reise
Zum Glück gibt es auch auf dem schwarzen Kontinent grüne Oasen mit Wasserstellen und kleine Siedlungen, wo Ziegen und durchziehende Kamelkarawanen eine Menge Insekten angelockt haben. Hier können die Schwalben rasten und ihre Reserven auftanken. Ein paar Tage später ist dann im Südosten Nigerias das Rastgebiet erreicht, wo Vögel aus insgesamt 14 europäischen Ländern aufeinandertreffen. Auf nur einem Quadratmeter drängt sich Flügel an Flügel. Es sind Schwalben aus Italien, Großbritannien und Deutschland. Die Mitteleuropäer bleiben, die britischen Rauchschwalben setzen hingegen ihre Reise fort - zumindest diejenigen, die den Dorfbewohnern nicht in die Falle gegangen sind, denn während der Weihnachtzeit werden dort alljährlich an die 100 000 Vögel gefangen und gegessen. Ihr Ziel ist Kapstadt.
Fressen und gefressen werden
Bis dahin aber gibt es reichlich Nahrung: Insekten, aufgewirbelt von riesigen Elefantenfüßen, Tsetse-Fliegen, die sich vom Rücken der Zebras schnappen lassen. Und Zehntausende Termiten, die auf Hochzeitsflug afrikanische Ebenen plötzlich in ein Schlaraffenland verwandeln. Räuber gibt es allerdings auch unzählige: Afrikanische Schleiereulen, Habichte, Falken aller Art, schwarze Mambas, Ochsenfrösche und viele andere.
Südafrika, das Winterdomizil für viele Zugvögel
Ist die Südspitze Afrikas erreicht, ist auch die Wanderung der Rauchschwalben zu Ende – die innere Uhr setzt den Wandertrieb außer Kraft. 12.000 Kilometer legen skandinavische Artgenossen auf der Flucht vor dem europäischen Winter zurück, um für einige Monate wie Vagabunden zu leben. Südafrika zieht nicht nur Millionen Schwalben an, sondern auch eine Reihe anderer bekannter Gestalten wie Kuckuck, Neuntöter, Weißstorch, Baumfalke oder Sumpfrohrsänger.
Die Rückreise will gut vorbereitet sein
Die Vorbereitungen für den Rückflug beginnen bei den Rauchschwalben bald nach der Ankunft: Während der viele Wochen dauernden Mauser werden die zerschlissenen Federn eine nach der anderen ersetzt. Nur mit einem perfekten Federkleid sind sie fit für den Flug. Im Februar sagt ihnen die innere Uhr, dass es Zeit ist für die Heimreise. Und Ende März/Anfang April erscheinen die Weltreisenden wieder an ihrem alten Wohnort. Mehr als einen Monat später treffen die Sumpfrohrsänger ein und präsentieren uns wunderbare Mitbringsel: Wenn sie ihren Gesang vortragen, haben sie in ihrem Repertoire auch Strophen von Liedern aus Afrika – von etwa 45 Vogelarten, die sie auf ihrer langen und gefährlichen Reise belauscht haben.
(Nina Blersch, Marco Glas)