Fleischkonsum: Vom Luxusgut zur Massenware

Die Fleischindustrie verbraucht zu viel Fläche und Wasser, belastet Gewässer und kurbelt den Klimawandel an. Massentierhaltung bedeutet Tierleid und Antibiotika-Missbrauch. Doch der globale Fleischkonsum steigt.

Fleischkonsum
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Die Zeiten, als sich die Familie um den Sonntagsbraten versammelt hatte, um das wertvolle Stück Fleisch mit Sättigungsbeilage zu zelebrieren, sind längst vorbei. Heute ist Fleisch in rauen Mengen zu Dumpingpreisen verfügbar und kommt in deutschen Haushalten regelmäßig auf den Tisch. Laut des letzten Ernährungsreports vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft isst ein Viertel der Konsumenten Fleisch oder Wurst sogar jeden Tag. Seit den 1960er Jahren hat sich die weltweite Fleischproduktion verfünffacht, der Fleischwert ist aber dramatisch gefallen – zusammen mit seiner Qualität. Früher ein Luxusprodukt, wurde Fleisch im 21. Jahrhundert zu einer kaum beachteten Selbstverständlichkeit – mit weit reichenden Folgen für die Umwelt, das Tierwohl und die Gesundheit. Schuld an der Misere ist die Massentierhaltung, angetrieben von dem steigenden Fleischkonsum

Inhaltsübersicht

Treibhausgase: Klimakiller Fleisch

Alle Lebensmittel entstehen auf Kosten der Umwelt, denn jeder Produktions- und Vertriebsschritt – vom Anbau und Herstellung über Verpackung und Lagerung bis zum Transport – erzeugt Treibhausgase und verbraucht Energie. Doch Fleisch ist der größte Klimasünder überhaupt, dicht gefolgt vom Käse. Denn die Milliarden und Abermilliarden von Zuchttieren brauchen gigantische Mengen an Flächen und Futter. Ganze Wälder werden gerodet, um Platz für Futterpflanzen zu machen. Der räuberische Anbau verursacht Artensterben, führt zur Versteppung ganzer Landstriche und setzt viel CO2 frei. Auch die Tierhaltung selbst trägt signifikant zu den globalen Emissionen bei: Der Nutztiersektor erzeugt mehr Treibhausgase als der gesamte Verkehr weltweit.

Umweltverpestung: Gülle ohne Ende

Doch nicht nur das Pupsen der Tiere stinkt zum Himmel. Neben den gasförmigen stellen auch ihre flüssigen Ausscheidungen ein ökologisches Problem dar. Die Massentierhaltung in Deutschland produziert jährlich über 200 Millionen Kubikmeter Gülle. Das führt zu einer gefährlichen Nitrat-Konzentration im Grundwasser. Sowohl Stickstoff als auch Phosphat aus der Gülle, die als Dünger auf Äckern und Weiden verteilt wird, beeinträchtigen die Qualität von Seen, Flüssen und küstennahen Meeresgewässern. Vielerorts sind die Grenzwerte um ein Vielfaches überschritten und erfordern aufwändige Trinkwasseraufbereitung. Eine zu hohe Konzentration von Nitrat erhöht das Krebsrisiko und kann bei Säuglingen zu Blausucht oder gar zum Tod führen. 

Was ist Gülle? Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Kot und Urin von Zuchttieren aus der Landwirtschaft, meist von Schweinen und Rindern. Sie besteht aus Wasser und darin gelösten Nährstoffen, organischer Substanz und Mineralien und eignet sich deswegen als Dünger für Nutzpflanzen. Aufgrund der Überproduktion wird aber viel zu viel Gülle auf die Felder ausgetragen. Stickstoff verbleibt im Boden und wandelt sich in den gesundheitsgefährdenden Stoff Nitrit um.

Ressourcenverschwendung: Tierfutter statt Lebensmittel

Der massenhafte Anbau von Futtermitteln trägt auch zum Welthunger bei. Denn die landwirtschaftlichen Flächen weltweit dienen hauptsächlich dem Anbau von Futterpflanzen und nicht pflanzlichen Lebensmitteln. Um Rind- oder Lammfleisch zu produzieren, braucht man 115-mal mehr Land als etwa zum Reisanbau. Angesichts der steigenden Weltbevölkerung ist das eine beispiellose Ressourcenverschwendung. Denn diese Landflächen könnte man in großen Teilen dafür nutzen, Gemüse und Getreide anzubauen und so deutlich mehr Lebensmittel produzieren. Weniger Menschen müssten Hunger leiden. 

Massentierhaltung: Billigfleisch statt Tierwohl

Der global steigende Fleischhunger kann nur gestillt werden, wenn auch die Produktion entsprechend hochgefahren wird. Die Lösung für mehr Effizienz bei gleichzeitiger Kostenreduktion heißt: Massentierhaltung. Die Geburtsstunde der heutigen Intensivtierhaltung in Deutschland fiel auf die Nachkriegsjahre, als Technik herangezogen, Zuchtprogramm massiv subventioniert und Futtermittel bereitgestellt wurden. Durch künstliche Besamung und ständige Leistungssteigerung der Tiere hat der Mensch die volle Kontrolle über ihren Körper erlangt. Neue Technologien haben ihm die Arbeit abgenommen und Ställe zu Hi-Tech-Orten gemacht. Das Prinzip „Schnell, viel und billig“ funktioniert aber nur deswegen so gut, weil die Fleischindustrie das Tierwohl außer Acht lässt. Die auf Profitmaximierung ausgerichtete Massentierhaltung und Tierschutz schließen sich aus: Die Tiere leben zusammengepfercht auf engstem Raum, haben Verletzungen, leiden unter Stress und Todesangst. Wer im Supermarkt zum Billigfleisch greift, nimmt grausame Tierquälerei und krankhafte Tierausbeutung billigend in Kauf. 

Was ist Massentierhaltung? Dabei handelt es sich um die massenhafte Zucht von Tieren unter beengenden, belastenden und nicht artgerechten Umständen. Das Ziel ist es, mit möglichst geringen Kosten möglichst viele tierische Produkte herzustellen. Massentierhaltung wird auch als intensive Tierhaltung oder Intensivtierhaltung bezeichnet.

Medikamentenmissbrauch: Antibiotika im Fleisch

Massentierhaltung könnte aber auch aus anderen Gründen den letzten Nagel im Sarg der Menschlichkeit bedeuten und zwar durch den massiven Einsatz von Antibiotika. Moderne Nutztiere werden überdurchschnittlich oft krank, weil sie nicht artgerecht gehalten werden. Sie bekommen das falsche Futter, haben kaum Bewegung und werden durch Zucht auf kräftezerrende Höchstleistung getrimmt. Durch die Haltung der Tiere auf engstem Raum haben Erreger ein besonders leichtes Spiel: Infektionen können sich sehr schnell ausbreiten. Deswegen ist der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung gang und gäbe – sowohl bei der Fleisch-, als auch bei der Kuhmilchproduktion. Rückstände der Arzneimittel, die sich im Gewebe der Tiere absetzen, scheinen aus toxikologischer Sicht zwar zu gering zu sein, als dass unsere Gesundheit beeinträchtigt wird. Allerdings führt der hohe Einsatz von Antibiotika zu Resistenzen: Bakterien werden immer unempfindlicher gegenüber Medikamenten. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) könnte Antibiotikaversagen schon im Jahr 2050 die Haupttodesursache weltweit sein.

Fleischkonsum Deutschland
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Im Jahr 2020 haben Pharmafirmen 701 Tonnen Antibiotika an Tierärzte in Deutschland verkauft. Das sind 31 Tonnen mehr als im Vorjahr (plus 4,6 %). Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).

Unterschiedliche Klimabilanz: Kuh, Huhn oder Schwein?

Beim Griff zum Fleisch aus dem Kühlregal spielt auch die Auswahl der Fleischsorte eine große Rolle. Der ökologische Fußabdruck vom Rind ist nämlich deutlich tiefer als der von Schweine- oder Geflügelfleisch. Kühe brauchen am meisten Wasser: Ganze 15.400 Liter gehen drauf, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren. Ein Kilo Schweinefleisch verbraucht knapp 6.000 Liter und ein Kilo Geflügelfleisch schlägt etwas über 4.300 Liter Wasser zubuche. Um die gleiche Menge Eiweiß zu erhalten, hat Rind drei bis fünf Mal Fläche mehr nötig als die anderen Fleischsorten. Das bedeutet natürlich nicht, dass sich Kühe auf besonders viel Raum bewegen dürfen. Die Ackerfläche wird vor allem für den Futteranbau benötigt. Die Landwirtschaft ist außerdem für 7 % der deutschen Treibhausgas⁠-Emissionen verantwortlich, hauptsächlich wegen der Rinderhaltung. Die Methanemissionen entstehen bei der Verdauung durch Wiederkäuer sowie bei der Lagerung und späteren Zersetzung von Gülle und Mist. Um die Emissionen aus der Nutztierhaltung zu reduzieren, gibt es verschiedene Bestrebungen. Die Wissenschaft forscht an neuartigen Lagermöglichkeiten für Mist der Tiere, an Futtermittelzusätzen, die das Rülpsen reduzieren und sogar an Züchtungen mit methanarmer Verdauung. Der einfachste Weg wäre allerdings: Tierbestände senken und Fleischkonsum reduzieren.

Fleischkonsum klimaschädlich

Fleischkonsum im Alltag: Das können Sie tun

Kleine Schritte lassen sie bekanntlich leichter umsetzen als gleich Quantensprünge zu machen. Hauptsache, die Marschrichtung stimmt. Wenn Sie etwas zur Umweltentlastung und für das Tierwohl tun möchten, können Sie eins oder mehrere Möglichkeiten wählen:

  • Kein Billigfleisch kaufen
  • Fleischportionen verkleinern
  • Häufiger zu veganen Ersatzprodukten greifen
  • Veggie Day einführen
  • Rindfleisch vermeiden
  • Regionale Erzeuger unterstützen

Fleischkonsum. Keine Privatsache mehr

Die Ernährung gilt – ähnlich wie die Religion – als eine der letzten Hochburgen des Privaten. „Was bei mir auf den Teller kommt, geht nur mich etwas an“ – dieses Statement ist ähnlich verbreitet wie „Menschen haben schon immer Fleisch gegessen“. Und trotzdem steht der hohe Fleischkonsum zurecht in der Kritik, weil er auf Kosten der Umwelt und des Tierwohls geht. Oder besser gesagt: auf Kosten der Allgemeinheit – schließlich ist jeder von uns von der unkontrollierbaren und existenzbedrohenden Klimakrise betroffen, ob Fleischesser oder Veganer. Deswegen ist Fleischkonsum seit langem keine Privatsache mehr, es kommt sehr wohl darauf an, was wir essen. Und trotzdem müssen sich nicht alle gleich rein pflanzlich ernähren. Auch weniger und qualitativ besseres Fleisch bestimmter Tierarten würde schon eine spürbare Klimaentlastung mit sich bringen. Kleine Schritte in die richtige Richtung statt schmerzhafter Vollbremsung und radikaler 180-Grad-Wende. Das verdirbt den beliebten Fleischgeschmack nicht, macht Fleisch aber vielleicht wieder zu einem hoch geschätzten Gourmetprodukt. 

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