Bonobos zeigen Anzeichen von Einfühlungsvermögen
Ist die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ausschließlich dem Menschen vorbehalten – oder können auch Tiere dies tun? Diese Frage sorgt in der Forschung für Diskussionen. Eine aktuelle Untersuchung mit Bonobo-Affen liefert dazu neue Erkenntnisse.
Die Fähigkeit, sich in die Gedanken und Gefühle anderer hineinzuversetzen, ist eine essenzielle Grundlage des menschlichen Miteinanders. Es gibt Hinweise, dass auch Tiere über eine Form dieser Fähigkeit verfügen – insbesondere Menschenaffen. Doch ihre Erforschung gestaltet sich schwierig, da Affen anders kommunizieren als wir.
Ein Team der Johns-Hopkins-Universität in den USA wollte herausfinden, ob Bonobos erkennen, wenn ihr Gegenüber über unvollständige Informationen verfügt, und ihr Verhalten daran anpassen.
Experiment mit einem Kooperationsspiel
Das Experiment wurde bewusst simpel gehalten: In einem Versuch saß der Studienleiter Luke Townrow einem 25-jährigen Bonobo-Männchen gegenüber. Auf dem Tisch zwischen ihnen standen drei umgedrehte Becher, unter einem lag eine Weintraube. Die Affen hatten zuvor gelernt, dass sie nur dann an die Traube gelangen, wenn ihr menschlicher Spielpartner den richtigen Becher auswählt.
Es wurden zwei Situationen getestet: In einer wusste der Mensch, wo die Weintraube versteckt war, in der anderen nicht. Die Wissenschaftler beobachteten, ob das Verhalten der Affen darauf hinweist, dass sie sich bewusst waren, welche Information ihr Gegenüber hatte.
„Wenn Bonobos erfassen, ob ich eine bestimmte Information besitze oder nicht, erwarten wir, dass sie ihre Kommunikation entsprechend anpassen“, erklärt Kognitionsforscher Townrow. Genau das bestätigte sich: Die Affen deuteten häufiger und schneller auf das versteckte Futter, wenn ihr Gegenüber nicht wusste, wo es sich befand. War dem Menschen das Versteck bekannt, verhielten sie sich zurückhaltender.
Wie unterscheiden sich Menschen von Bonobos?
Bonobos gehören zu den nächsten Verwandten des Menschen. Die Studie sollte auch klären, welche kognitiven Fähigkeiten Menschen einzigartig machen. Die Bonobos im Experiment konnten sich nicht nur das Versteck der Weintraube merken, sondern auch den Wissensstand ihres Spielpartners – ein Hinweis darauf, dass diese Fähigkeit nicht ausschließlich dem Menschen vorbehalten ist.
Doch es gibt komplexere Stufen des Einfühlungsvermögens. Daniel Haun, Professor für vergleichende Kulturpsychologie an der Universität Leipzig, erklärt, dass Perspektivübernahme in zwei Stufen unterteilt wird. „Die einfachere Variante ist das Verständnis darüber, was andere wissen oder nicht wissen. Schwieriger wird es, wenn man nachvollziehen muss, was andere glauben – insbesondere wenn diese Überzeugungen nicht der Realität entsprechen.“
In dieser fortgeschritteneren Form der Perspektivübernahme zeigen Affen Defizite. Forschungen am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig ergaben, dass Kinder erkennen können, welche Nahrungsmittel eine andere Person bevorzugt – Affen jedoch nicht.
Herausforderungen der Forschung
In der Psychologie wird die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, als Theory of Mind bezeichnet. Sie bei Tieren zu erforschen, erfordert jedoch gut durchdachte Experimente, die an deren Fähigkeiten angepasst sind.
Daniel Haun lobt die neue Studie für ihren einfachen Aufbau, da sie für die Affen leicht verständlich war: „Es ist immer eine Herausforderung, eine Fragestellung so zu gestalten, dass sie für andere Lebewesen zugänglich ist.“
Ein möglicher Nachteil sei jedoch die geringe Anzahl untersuchter Affen. Nur drei Bonobos nahmen an dem Experiment teil, da sie bereits mit der Geste des Zeigens vertraut waren. In freier Wildbahn ist das nicht der Fall, sodass alternative Methoden erforderlich wären.
Je nach Versuchsaufbau könnten zukünftige Studien möglicherweise andere Ergebnisse liefern. Ob Affen tatsächlich die Gedanken und Gefühle anderer Lebewesen nachvollziehen können, bleibt also offen. Für Luke Townrow ist das jedoch kein Problem: „Genau dieses Wechselspiel macht die Wissenschaft spannend.“
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