Das Dilemma mit dem Tierschutz: Warum Auslandstierschutz genauso wichtig ist
Traumatisiert, krank, menschenscheu: Es gibt viele Vorurteile gegenüber Hunden aus dem Tierschutz. Wir erklären, warum diese Ängste unbegründet sind – und was trotz aller Bedenken für eine Adoption spricht.
Die Bilder sind eindringlich: Straßenhunde, etwa in Osteuropa, kämpfen täglich ums Überleben. Dazu kommen die Tiere, die dort in überfüllten Tierheimen auf eine zweite Chance warten. Offizielle Statistiken gibt es zwar nicht, doch die Tierschutzorganisation Peta schätzt alleine in Rumänien die Zahl der Streuner auf etwa 600.000. Dazu kommen noch circa 5,4 Millionen Hunde (Stand: 2024), die in dem Land unter schlechten Bedingungen und Missachtung des Tierschutzes gehalten werden.
Parallel dazu ist die Situation in Deutschland nicht viel besser. Weil die Abgabezahlen steigen, stoßen Tierheime ebenfalls an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Betreiber sind überfordert. Da stellt sich die Frage: Worauf soll man als Hundefreund seine Hilfe konzentrieren: auf inländische Notfälle? Oder ist moralisch und ethisch der Auslandstierschutz geboten?
Das Schicksal der Streuner
In vielen Ländern Europas sowie in Teilen Asiens gibt es eine massive Streunerproblematik. Die Ursachen sind vielfältig: fehlende Kastrationsprogramme, eine lasche Gesetzgebung, wirtschaftliche Armut und kulturelle Unterschiede im Umgang mit Tieren. Während in Deutschland Hunde als Familienmitglieder gelten, werden sie in anderen Ländern oft als Nutztiere betrachtet, die man, wenn sie nicht mehr benötigt werden, aussetzt oder schlichtweg „entsorgt“.
Die Tierschutzorganisationen vor Ort arbeiten oft unter erschwerten Bedingungen. Überfüllte Auffangstationen, knappe oder gar keine finanziellen Mittel und mangelnde Unterstützung durch die Behörden machen es schwer, langfristige Lösungen zu etablieren.
Die meisten Organisationen haben gute Absichten, doch man sollte genau hinschauen: Am Anfang steht immer die Frage, wer genau sich hinter dem Adoptionsangebot verbirgt. Mit dem wachsenden Interesse am Auslandstierschutz sind auch unseriöse Organisationen entstanden, die mit dem Mitleid von Hundefreunden Geld verdienen. Die Tiere werden unter schlechten Bedingungen gehalten, oft stundenlang im Auto transportiert und es gibt kaum Nachkontrollen. In einigen Fällen züchtet man sogar gezielt Hunde, um diese als „Straßenhunde“ zu verkaufen. Wenn der Auslandshund im neuen Zuhause angekommen ist, zeigt sich oft, dass er traumatische Erlebnisse hatte, sehr ängstlich oder keine Leinenführung gewohnt ist.
Der Deutsche Tierschutzbund empfiehlt deshalb: „Die wichtigste Frage, die ich mir stellen sollte, lautet: Welcher Hund passt zu mir? Die Finger lassen sollte man von Direktvermittlungen aus dem Ausland, bei denen man das Tier unmittelbar nach seinem Import übernimmt. Wenn es ein Hund aus dem Ausland sein soll, gibt es einige Dinge zu beachten. Auf keinen Fall sollte man sich ein Tier im Internet nach Bild ‚bestellen‘“, erklärt Präsident Thomas Schröder. Hunde aus dem Ausland leiden außerdem öfter an Krankheiten wie Leishmaniose oder Ehrlichiose. Diese erfordern spezielle tierärztliche Betreuung, was für die Neu-Hundebesitzer eine zusätzliche Herausforderung darstellt.
Tierheime am Limit
Doch auch in den hiesigen Tierheimen ist die Situation angespannt: In den letzten Jahren hat die Zahl der abgegebenen Hunde stark zugenommen, unter anderem aufgrund der sogenannten „Corona-Hunde“ – Tiere, die in der Pandemie angeschafft und nach deren Ende wieder abgegeben wurden. Auch gibt es nach wie vor viele Menschen, die unüberlegt einen Hund nach Hause holen und spätestens im nächsten Urlaub merken, dass für das liebe Tier kein Platz ist. Die Folge sind alarmierend hohe Zahlen an ausgesetzten Hunden und Katzen – und das jeden Sommer aufs Neue.
„Wir haben leider viele Hunde mit Auslandshistorie in den deutschen Tierheimen, die oft spontan per Direktvermittlung angeschafft wurden“, sagt Thomas Schröder. „Sie zerstören dann im neuen Heim die Couch oder sind nur an der Leine ausführbar – nicht einmal, weil sie bissig, sondern weil sie so ängstlich sind. Seriöse Vereine schätzen Charakter und Verhalten eines Hundes schon vor dem Import ein und prüfen nach Ankunft im deutschen Tierheim, welches Zuhause sich am besten eignet und worauf sich der neue Besitzer einstellen muss.“
Deutsche Tierheime bekommen außerdem weniger mediale Präsenz als Auslandstierschutzorganisationen, die mit dramatischen Bildern Spenden und Unterstützung generieren können. Außerdem haben Tierheime in Deutschland strenge Vermittlungskriterien, die enorm wichtig sind, aber auch potenzielle Adoptanten abschrecken können. Dazu gehören eine Vermittlungsgebühr, „Probe“-Besuche und Nachkontrollen. Während süße Welpen aus dem Ausland meist schnell ein Zuhause finden, warten erwachsene, alte Hunde oder solche mit Verhaltensauffälligkeiten oft jahrelang auf eine Vermittlung.
Aber, so könnte man nun argumentieren, diese Tiere haben – im Gegensatz zu den Hunden auf der Straße – zumindest eine Heimat, Futter, Wasser und regelmäßig Kontakt zu Menschen und Artgenossen. Sind sie erst einmal im Tierheim, müssen sie weder Hundefänger fürchten noch sich durch den Müll wühlen, um den nächsten Tag zu erleben. Da stellt sich vielen Menschen die Frage, ob es nicht viel wichtiger ist, in erster Linie den Tieren im Ausland zu helfen. Schreckliche Nachrichten etwa über die „Tötungspläne“ von Straßenhunden in der Türkei leisten ihr Übriges.
Natürlich will man als Hundefreund am liebsten sofort Hilfe leisten, doch am Ende zahlt sich eine langfristige Strategie mehr aus. Deshalb fördert auch der Deutsche Tierschutzbund Tierschutz sowohl in Deutschland als auch im Ausland. „Wir setzen dabei auf langfristige Unterstützung, die immer nachhaltig die Menschen vor Ort befähigt, Tierschutz zu leisten“, sagt Thomas Schröder.
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