Tierschützerin kärt auf: Wie Hundemütter für den illegalen Welpenhandel leiden müssen

Dass Hunde in Europa aktuell so gefragt sind, spielt dem illegalen Online-Welpenhandel in die Karten. Aus der massenhaften Zucht ist ein lukratives Geschäftsmodell entstanden – auf Kosten der Hunde.

Hundemutter aus Welpenfabrik mit Welpen für illegalen Welpenhandel
Dem Tode geweiht: Hundemütter überleben nicht lange in den Welpenfabriken© VIER PFOTEN

Langen in Hessen – eine Familie hat online Hundewelpen inseriert. Hinweise deuten darauf hin, dass etwas nicht stimmt: Die Familie bietet regelmäßig in kurzen Abständen Hundewelpen zum Verkauf an. Birgitt Thiesmann und ihr Team von der Tierschutzorganisation VIER PFOTEN wird hellhörig. Sie geben sich als Kauf-Interessenten aus und entlarven die scheinbar harmlose Familie als illegale Welpenhändler, die Teil mafiöser Strukturen sind. Die Polizei beschlagnahmte die noch viel zu jungen Welpen vor Ort. Sie waren dehydriert und unterernährt, einer verstarb kurz nach seiner Rettung.

Illegale Netzwerke

Rund 2.000 Hundeanzeigen werden täglich auf Kleinanzeigen-Portalen veröffentlicht. Vier von fünf dieser Inserate zeigen Welpen. In sogenannten Welpenfabriken züchten kriminelle Organisationen Hunde unter grausamen Bedingungen – Neugeborene und Muttertiere leiden.

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Der illegale Welpenhandel in Europa nimmt erschreckende Ausmaße an. Ein jüngster Fall aus Nordrhein-Westfalen macht erneut auf das leidvolle Schicksal von Hunden aufmerksam, die unter extremen Bedingungen gezüchtet werden, nur um dann als Ware über das Internet verkauft zu werden.

„Das ist die Hölle auf Erden.“ 

Das Ein Herz für Tiere Magazin* spricht mit Birgitt Thiesmann über die Zustände in Welpenfabriken oder – wie sie auch genannt werden – „Vermehrerstationen“. Birgitt Thiesmann arbeitet seit 16 Jahren bei VIER PFOTEN und recherchiert seitdem innerhalb des illegalen Welpenhandels. 

Der Fall Langen ist eines von vielen Beispielen für illegalen Welpenhandel. Wie funktioniert der Handel?

Birgitt Thiesmann: Allgemein ist der Welpenhandel netzwerkartig organisiert und besteht aus Vermehrern, Fahrern und Händlern. Die Welpen werden meist in Vermehrerstationen im osteuropäischen Ausland wie Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechien, Russland gezüchtet. Wie es den Tieren geht, ist den Händlern egal, es geht nur um die Produktion. Deshalb sprechen wir bei VIER PFOTEN von Vermehrern statt Züchtern. Die Welpen werden dann von Fahrern nach Deutschland transportiert. Teilweise gibt es Personen, die die gesamte Logistik organisieren und Transporte mit den gewünschten Hunderassen zusammenstellen. So wie im Beispiel in Langen sind am Ende der Kette die Verkäufer in Deutschland und verkaufen die Welpen. Dabei stehen sie nicht immer im direkten Kontakt zu den eigentlichen Produzenten, aber indirekt besteht dieser auf jeden Fall. Oft stellt man die Herkunftsländer als die Schuldigen dar, aber man muss auch sehen, dass die Käufer in westlichen Ländern sitzen.

Wie sind denn die Zustände in den Vermehrerstationen?

Birgitt Thiesmann: Es wird nicht darauf geachtet, wie es den Hunden geht, im Fokus ist lediglich die Produktion. Besonders die Muttertiere sind oft die Ärmsten in diesen Welpenfabriken. Für sie ist das die Hölle auf Erden. Sie haben kein Tageslicht, sie sehen keinen Tierarzt und sie werden nicht annähernd vernünftig ernährt. Oft fehlt das Wasser. Viele sind angebunden, obwohl sie schon in Verschlägen sind. Die Mütter sind wirklich nur reine Gebärmaschinen und leben deshalb auch nicht sehr lange.

Welches Alter erreichen die Hundemütter in etwa durchschnittlich?

Birgitt Thiesmann: Das kann man nicht genau sagen. Sobald sie krank sind und nicht mehr pausenlos produzieren können, werden sie uninteressant für den Vermehrer. Hunde, die nicht mehr brauchbar sind, werden einfach entsorgt und das kann unterschiedlich schlimm sein.

Was bedeutet „unterschiedlich schlimm“?

Birgitt Thiesmann: Ein Welpenhändler, der inzwischen ausgestiegen ist, hat uns gegenüber aus dem Nähkästchen geplaudert: Hunde, die nicht von den Käufern oder Händlern abgenommen werden oder nicht mehr brauchbar sind, fliegen dann auch mal in den Schredder.

Was kann man sich denn unter einem Schredder vorstellen?

Birgitt Thiesmann: Das ist ein Schredder für Futter. So werden die Tiere dann weiterverarbeitet und verfüttert. Oder man überlässt sie ihrem Schicksal. Es wird sich dann einfach nicht mehr um sie gekümmert. Die Hündinnen haben häufig Tumore oder offene Rücken und sterben irgendwann an Entkräftung. Oft ist es nur eine kurze Frage der Zeit, bis sie verscheiden.

Wie wirkt sich es auf Welpen aus, wenn die Muttertiere erkranken oder verstorben sind?

Birgitt Thiesmann: Die Welpen werden ihren Müttern viel zu früh weggenommen und nicht gesäugt. Sie sollten eigentlich mindestens bis zu acht Wochen bei der Mutter und den Geschwistern bleiben. Das ist die soziale Prägephase. Die Eindrücke, die ein Welpe in dieser Phase sammelt, werden ihn sein Leben lang prägen. Das verursacht physische und psychische Probleme. Dann fehlt die Muttermilch und sie werden auch noch mit Antibiotika vollgestopft, um diese langen Transporte zu überstehen. Natürlich ungeimpft. Für viele endet das früh tödlich oder sie erkranken schwer.

Was tut VIER PFOTEN, um das schreckliche Schicksal zu verhindern?

Birgitt Thiesmann: Wir arbeiten international, betreiben Lobbyarbeit, reden mit Politikern, machen viele Medienberichte aus dem Ausland. Wir haben in Ungarn mit der BBC gedreht und konnten sichtbar machen, wie das Ganze läuft. Doch wir können nur schwer in die Politik eingreifen, obwohl wir eng mit der EU-Kommission zusammenarbeiten. In den Ländern, in denen die Welpen vermehrt werden, herrscht oft Korruption. Es ist sehr schwierig, dagegen anzukommen. Nichts desto trotz ist es wichtig, dass die Leute, die hier die Welpen kaufen, sehen, was dahintersteckt. Denn in dem Moment, wo die Nachfrage abnimmt oder vielleicht gar nicht mehr existiert, werden solche Welpen nicht mehr produziert. In westlichen Ländern sind Welpen derzeit sehr gefragt.

Wie ging es mit den Händlern aus dem Eingangsbeispiel weiter?

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdacht der Straftat nach dem Tierschutzgesetz und des versuchten Betrugs. Der Handel wurde scheinbar in größerem Stil betrieben. Für Nachschub war bereits gesorgt. Bisher gab es noch keine Gerichtsverhandlung.

Das Problem Internet

Ein großes Problem beim Online-Welpenhandel ist die Anonymität der Händler. Geben sie sich auf Kleinanzeigenseiten als private Verkäufer aus, können deren Personenangaben wie zum Beispiel der Name gefälscht sein. Das verschleiert ihre wahre Identität und für Käufer wird schwer ersichtlich, wer tatsächlich hinter den Profilen steckt. Das erschwert zudem die Strafverfolgung und den illegalen Netzwerken drohen kaum rechtliche Konsequenzen.

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Darauf müssen Sie beim Online-Welpenkauf achten

  • Persönlicher Kontakt: Schauen Sie sich den Welpen und sein Muttertier persönlich an. Beim seriösen Züchter finden die Treffen bei ihm Zuhause statt – lassen Sie keine Ausreden zu.
  • Alter prüfen: Hundebabys brauchen ihre Mama – mindestens bis zur achten Woche.
  • Einreisebestimmungen: In den meisten Ländern ist die Einreise unter 15 Wochen verboten.
  • Fragen stellen: Fragen Sie nach Geburtsdatum, Geburtsland, Mikrochip-Nummer, Stammbaum, Impfungen, Parasitenschutz.
  • Anbieter prüfen: Bietet der Verkäufer gleichzeitig viele verschiedene Rassen an? Ein illegales Netzwerk könnte dahinterstecken.
  • Absicherung: Schließen Sie einen Kaufvertrag ab und fragen sie nach dem EU-Heimtierausweis.
  • Geduld: Welpen werden nicht beim ersten Kennenlernen mitgegeben. Ist das der Fall, sollten Sie hellhörig werden.

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Über VIER PFOTEN

Seit 1988 rettet und schützt die Tierschutzorganisation VIER PFOTEN weltweit Tiere. Missstände zu erkennen und Aufklärungsarbeit zu leisten gehören gleichermaßen zu den Zielen der Organisation. VIER PFOTEN setzt sich für Gesetze und Vorschriften ein, die die Tierwelt schützen sollen. Weitere Informationen finden Sie unter www.vier-pfoten.de.

*Dieser Artikel ist erschienen im Ein Herz für Tiere Magazin, Ausgabe 05/2025.

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Über die Autorin

Claudia Zoppelt

Volontärin

Claudia Zoppelt ist seit 2024 bei Ein Herz für Tiere tätig. Dabei unterstützt sie als Volontärin die Print- sowie die Online-Redaktion. Während sich Claudia in ihrem Studium der Soziologie mit gesellschaftlichen Strukturen beschäftigte, rückt sie nun die Welt der Tiere in ihren Fokus. Als Produkttexterin konnte sie Erfahrungen im Schreiben sammeln und diese im Lehrgang ‚Journalismus‘ an der Deutschen Journalisten-Akademie intensiv vertiefen. Claudias Herzensanliegen ist es, sich als Redakteurin für Tierschutz stark zu machen und über Missstände aufzuklären. Die Erlebnisse als frisch gebackene Hunde-Mama kommen ihr für die Recherchen zugute.


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