"Eine Mahlzeit dauert bei mir mehrere Tage": Eine Zecke im Interview
Die Zecke zählt wohl zu den unbeliebtesten Tieren aller Zeiten. Doch ist dieser Ruf gerechtfertigt? Und was wissen wir eigentlich über ihr Leben? Wir haben eine Expertin zum exklusiven Interview gebeten
Ein Herz für Tiere: Guten Tag, liebe Zecke, schön, Sie kennenzulernen!
Zecke: Die Freude ist ganz meinerseits. Ich muss allerdings gleich etwas richtigstellen: Ich bin eine Buntzecke, genauer gesagt eine Auwaldzecke. Freunde dürfen mich aber einfach Zecke nennen. (lacht)
Verzeihung. Werden Sie öfter mit falschem Namen angesprochen?
Ja, schon. Die meisten Leute wissen einfach nicht genau Bescheid über meine Familie.
Dann klären Sie uns doch auf.
Oh, meine Familie ist sehr groß, das würde zu weit führen. Weltweit gibt es über 900 verschiedene Arten von uns. In Deutschland leben aber hauptsächlich der Gemeine Holzbock und ich. Und mittlerweile zieht es auch unsere Cousine, die Braune Hundezecke, immer mehr aus Südeuropa nach Deutschland.
Ihre Familie - wir müssen es leider so direkt sagen - ist nicht besonders beliebt. Woher kommt der schlechte Ruf?
(zögert) Nun, reden wir nicht um den heißen Brei herum. Es ist bekannt, dass einige Tiere nach meinem Besuch erkranken und manchmal sogar an den Folgen der Krankheit sterben. Der Gemeine Holzbock überträgt unter anderem FSME und Borreliose, ich selbst kann meine Wirte mit der Babesiose infizieren. Diese Krankheit wird auch Hundemalaria genannt, was meinem Ruf natürlich nicht gerade zuträglich ist.
Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?
Ein Stück weit kann ich die Kritik durchaus nachvollziehen. Auf der anderen Seite reguliere ich aber die Bestände von Tieren und Pflanzen und komme auch zum Einsatz, wenn sich fremde Arten in unseren Lebensräumen einnisten wollen.
Ein schlechter Ruf bringt aber auch Feinde mit sich. Gab es schon mal eine brenzlige Situation?
Abgesehen vom Menschen habe ich trotz der vielen Kritik nicht übermäßig viele Feinde, die mir tatsächlich gefährlich werden können. Ein paar gibt es aber schon. Einmal bin ich nur knapp einer Meise entkommen, die mich verspeisen wollte. Und von Bekannten habe ich schon wahre Gruselgeschichten gehört. eine zecke wurde etwa von einem Pilz getötet, der auf ihr gewachsen war. Und besonders fies ist auch die Erzwespe, die ihre Eier in unsere Larven legt. Die Larven werden dann von innen her aufgefressen! (schaudert)
Das klingt ja schrecklich. Haben Sie denn auch eine Fangemeinde?
Nun ja ... ich bin mir sicher, wenn Sie besagte Erzwespe oder bestimmte Vögel fragen würden, fänden die mich ganz gut. Oder zumindest schmackhaft. Aber lassen Sie uns lieber über etwas anderes reden.
Dann erzählen Sie uns ein bisschen von Ihrer Kindheit. Wie sind Sie aufgewachsen?
Geboren wurde ich vor einem Jahr, da bin ich aus einem von über 4000 Eiern geschlüpft. Als kleine Larve fand ich recht bald meine erste Blutmahlzeit und wurde zur süßen Nymphe. Meinen anschließenden Sommer als Nymphe verbrachte ich mit reichlich Kost und Trank auf einem Kaninchen. Nun, da ich meine zweite Blutmahlzeit hinter mi habe, bin ich aber erwachsen und bevorzuge einen anderen Speiseplan.
Zum Beispiel?
Sie werden das vermutlich nicht gerne hören, aber Hundeblut gehört zu meinen Leibspeisen. Doch auch Pferd, Rind oder Reh können lecker sein.
Beißen Sie denn wie andere Insekten -
Stopp! Wir zecken gehören nicht zu den Insekten, sondern zu den Spinnentieren.
Entschuldigung. Was wir fragen wollten: Beißen Sie auch Menschen?
Zunächst einmal beiße ich nicht, sondern steche, und zwar mit meinem Stechrüssel. Und ja, auch Menschen steche ich gelegentlich, andere Säugetiere sind mir allerdings lieber. Die schmecken einfach besser und an ihnen kann ich mich nach Herzenslust bis zu elf Tage lang vollsaugen.
Sie haben aber einen ordentlichen Appetit ...
Das muss ich mir dauernd anhören, dabei stimmt das überhaupt nicht. Sicher, eine Mahlzeit kann bei mir mehrere Tage dauern, aber dafür esse ich in meinem ganzen Leben nur schlappe drei Mal.
Nur drei Mal?
Allerdings: Nach der ersten Mahlzeit entwickle ich mich von der Larve zur Nymphe, nach der zweiten wiederum von der Nymphe zur ausgewachsenen Zecke. Und nach der dritten Blutmahlzeit bin ich ganz und gar mit Blut vollgesogen und bereit zum Eierlegen. Beim Essen habe ich es aber nicht eilig. Wenn es sein muss, kann ich sogar mehrere Jahre komplett auf Nahrung verzichten.
Sie sind ganz schön hart im Nehmen.
Durchaus, ich bin stolze Überlebenskünstlerin. Ich möchte ja nicht angeben, aber wenn es die Umstände verlangen, kann ich drei Wochen lang unter Wasser aushalten, 24 Stunden in der Tiefkühltruhe oder einen Schleuderwaschgang bei 40 Grad überleben. Das müssen Sie erst mal nachmachen!
Das klingt nicht besonders gemütlich. Wo fühlen Sie sich denn eher wohl?
Mein Name (Auwaldzecke, Anm. d. Red.) lässt darauf schließen, dass ich mich gerne in Auen- und Laubwäldern aufhalte. Das stimmt aber nicht. Deshalb bevorzuge ich persönlich den Namen "Wiesenzecke", denn Gras und Waldränder bei sommerlichen 22 Grad finde ich besonders kuschelig.
Genauso wie Hundefell, oder?
Na ja, dort sind wir Zecken ja nur, wenn wir gerade Blut naschen oder ein paar Schäferstündchen mit einem Partner verbringen. Aber natürlich stört es uns nicht gerade, wenn wir dabei weich sitzen. (lacht)
In den Medien ist der Klimawandel schon seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema. Wie stehen Sie dazu?
Auch wenn ich mir damit keine Freunde mache, muss ich gestehen: Ich bin Fan des Klimawandels. Noch vor 30 Jahren war ein Leben für mich in Deutschland kaum vorstellbar. Doch jetzt, da es wärmer wird, kann ich immer weiter nach Norden wandern.
Unser Interview nähert sich langsam dem Ende. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich komme langsam in ein Alter, in dem auch ich eine Familie gründen möchte. Deshalb bin ich derzeit auf der Suche nach einem Partner, mit dem ich ein paar schöne Stunden im weichen Pelz eines Vierbeiners verbringen kann. Ich freue mich auf das Leben als Mutter von drei- bis fünftausend Eiern.
Dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Suche. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!
Zu diesem Thema wollte sich unsere Interviewpartnerin leider nicht äußern. Wir klären auf
Um einem Zeckenstich und damit einhergehenden Krankheiten vorzubeugen, empfiehlt es sich, den Hund in der Hauptsaison nach jedem Gassigang abzusuchen und ggf. zu durchkämmen. Eine zusätzliche Vorsichtsmaßnahme stellen Antiparasitika dar, die in Form von Spot-ons, Halsbändern, Sprays oder Tabletten erhältlich sind. Sitzt die Zecke bereits fest, sollten Sie schnell handeln. Mit speziellen Zeckenzangen, Pinzetten oder Zeckenhaken lassen sich die Parasiten gut entfernen. Bei Unsicherheit hilft der Tierarzt oder die Tierärztin weiter.