Coping: Wie Katzen Stress bewältigen

Häufig sind es stille und subtile Verhaltensweisen, mit denen Katzen sich selbst beruhigen und Stress reduzieren. Ab wann diese Bewältigungsstrategien zum Problem werden, erklärt unsere Expertin Tierärztin Sabine Schroll.

Gestresste Katze liegt auf einer weichen Couch
© Tommy Larey/Shutterstock

Beinahe jede Katze erlebt in ihrem Alltag Situationen und Zeiten, in denen es nicht ganz so rund läuft. Stress kann durch alles entstehen, was die Katze nicht kennt oder woran sie sich noch nicht gewöhnt hat. Aber auch alle Arten von körperlichen und psychischen Einflüssen, die im Moment ausweglos oder im schlimmsten Fall sogar bedrohlich sind, können der Katze zu schaffen machen.

Wann immer ein – von der Katze immer subjektiv empfundener – Stressor auf sie einwirkt, setzt sich eine Kaskade von Anpassungsreaktionen in Gang. Mit dieser Anpassungsreaktion versucht sich der Körper auf eine Überlebenssituation, die Verteidigung oder rasche Flucht erfordert, einzustellen.

Nun ist es auch bei Katzen – ähnlich wie beim Menschen – so, dass viele der Situationen, die eine Notfall-Stressreaktion auslösen, in Wirklichkeit gar nicht so bedrohlich sind. Nichtsdestotrotz entsteht diese umfassende Aktivierung des Körpers als Antwort auf Stressauslöser automatisch.

Längerfristig hat das nachteilige Folgen, weil während der Stressreaktion alle Haushaltsfunktionen des Körpers vernachlässigt werden:

Verdauung, Schlaf, Regeneration und Immunfunktionen laufen auf Sparflamme, weil es scheinbar um Leben und Tod gehen könnte, wenn die Türglocke klingelt oder der Tagesablauf unerklärlich durcheinander ist.

Bei vielen chronisch gestressten Katzen führt dieses Ungleichgewicht zu körperlichen Erkrankungen. Am besten untersucht ist die wiederkehrende Blasenentzündung, aber auch im Magen-Darm-Trakt und in der Haut werden ähnliche Entzündungsprozesse ausgelöst.

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Ein sicheres Versteck als erste Wahl

Neben der rein körperlichen Reaktion passt die Katze natürlich auch ihr Verhalten an. Verstecken und sich möglichst unsichtbar machen ist die für Katzen typische und unmittelbare erste Wahl. Sowohl Flucht als auch Verteidigung mit Krallen und Zähnen bergen ein gewisses Risiko, das wegfällt, wenn die Katze gar nicht erst auf der Bildfläche erscheint.

Mit Versteckmöglichkeiten, an denen sich die Katze sicher fühlt, kann sie sich entspannen, schlafen und die unangenehme Erfahrung verarbeiten. Einen komfortablen Rückzugsort aufzusuchen ist somit die wichtigste Coping-Strategie der Katze, mit der sie Alltagsstress bewältigen kann.

Leider gibt es in modernen Wohnungen oft nicht ausreichend hochwertige Versteckmöglichkeiten. Die Katze muss sich unter dem Bett, hinter dem Sofa oder in andere Notfallverstecke zwängen, um sich momentan sicher zu fühlen. Für wirkliche Tiefenentspannung und Erholung sind diese Plätze meistens zu unbequem und die Katze bleibt gestresst.

Unglücklicherweise kleben Katzen auch mit einer großen Hartnäckigkeit an ihren ersten Zufluchtsorten und übersehen bessere Angebote, die sie später bekommen.

Es ist daher wichtig, die Notverstecke nach und nach zu verschließen, während gleichzeitig hochattraktive Verstecke angeboten werden.

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Frustfressen birgt auch für Katzen Gefahren

Doch Verstecken ist bei weitem nicht die einzige Bewältigungsstrategie der gestressten Katze. Nicht jeder Stressauslöser ist gleich so dramatisch und geringere Anspannung lösen viele Katzen mit … fressen. Ein voller Magen macht zufrieden und vor allem, wenn es besonders gute Leckerbissen sind, entstehen auch positive Emotionen. Was auf den ersten Blick wie eine gute Coping-Strategie gegen Stress aussieht, kann sich schnell zu einem gewichtigen Gesundheitsproblem entwickeln.

Katzen sollten zwar immer Futter in kleinen Portionen verfügbar haben, aber sie sollten dafür zum einen ein bisschen Arbeit beim Herausfummeln oder im Training leisten und zum anderen müssen es nicht immer kalorienreiche Leckereien sein. Im Übrigen kann die Beschäftigung am Food-Puzzle oder das Erlernen von Tricks der Katze durchaus ein gutes Gefühl von Selbstwirksamkeit und mehr Kontrolle über ihr Leben geben, und auf diesem Weg auch Stress reduzieren.

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Dem Stress mit Schwung davonlaufen

Jede Katze ist anders und auch die Wege, mit denen sie versuchen, sich wieder in ein emotionales Gleichgewicht zu bringen, sind unterschiedlich. Bewegungsfreudige Katzen versuchen ihre innere Anspannung oft mit Action abzubauen. Im Mehrkatzen-Haushalt leiden dann oft Partnerkatzen unter den angezettelten Verfolgungsjagden – der Gesamtstress in der Katzengruppe erhöht sich also.

Beobachtet man das Tempo freilaufender Katzen im Garten wird schnell klar, dass der Bewältigungsmechanismus Laufen für die Wohnungskatze keine Option ist. Es sei denn, sie hat ein Katzen-Laufrad zur Verfügung, mit dem sie unendlich viel Strecke im gewünschten Tempo zurücklegen kann, bis sie innerlich wieder entspannt ist.

Bewegung als Coping-Strategie hat keinerlei nachteilige Folgen.

Ganz im Gegenteil bleibt die Katze auch körperlich fit und gut bemuskelt. Es gibt keinen Hinweis, dass sich Katzen zu Laufradjunkies entwickeln.

Harnmarkieren zum Stressabbau

Sehr unerwünscht und für uns Menschen weniger verständlich ist, dass auch Harnmarkieren beim Loswerden von Stress helfen kann. Einer der Auslöser für Harnmarkieren ist nämlich eine hohe innere Anspannung, die Katzen sind unruhig und schlagen viel mit dem Schwanz bevor sie markieren. Im besten Fall legt sich die Erregung nach dem Harnmarkieren und es wird insgesamt nur bei gelegentlichen Anlassfällen markiert.

Leider dürfte diese Coping-Strategie nicht besonders wirkungsvoll sein, denn bei vielen Katzen bekommt das Harnmarkieren eine unangenehme Eigendynamik und erhöht den Stress sowohl beim Menschen als auch bei der Katze.

Hier hilft oft nur eine stressmindernde Medikation, um die Katze aus der Negativspirale von Stress und Markieren zu befreien.

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Körperpflege gegen Stress

Ein weiterer Bewältigungsmechanismus von gestressten Katzen ist die Körperpflege. Eine Katze beim Putzen zu beobachten hat etwas Meditatives – und ganz offensichtlich hat es auch auf die Katze einen solchen Effekt. Der Gesichtsausdruck ist entspannt und die Bewegungen sind fließend. Man kann erkennen, wie das Belecken des Fells beim Runterkommen hilft, bis die Katze dann ruht und schließlich schläft. Manche Katzen neigen allerdings dazu, es zu übertreiben und am Ende bleibt ein nackter Bauch, weil die Haare durch die raue Zunge abbrechen. Doch Achtung! Ein kahler Bauch ist nicht immer Folge einer übertriebenen Coping-Strategie. Auch bei Juckreiz entstehen kahle Stellen und in diesem Fall hat die Katze einen körperlichen Grund, der behandelt werden muss.

Die drei Säulen der Stressbewältigung

Katzen machen für uns Menschen so oft einen tiefenentspannten Eindruck und helfen auch uns dabei, Stress abzubauen. Das können sie aber nur, solange sie selbst im Gleichgewicht sind und ausreichend Möglichkeiten haben, dieses wieder zu finden, wenn es kurzfristig verloren war.

Dazu brauchen sie ein katzengerechtes Lebensumfeld, einen achtsamen Menschenfreund, der ihre individuellen Bedürfnisse sieht und eine umfassende Erziehung, um mit den menschlichen Ansprüchen zurechtzukommen.

Was ist Coping?

Coping (aus dem Englischen: to cope = etwas bewältigen) ist ein Begriff aus der Psychologie und beschreibt alle bewussten oder unbewussten Strategien, mit denen ein Lebewesen versucht, mit belastenden, stressreichen oder herausfordernden Situationen umzugehen.

Coping-Strategien von Katzen

Die häufigsten Coping-Strategien im Überblick und wie Sie Ihre Katze unterstützen können:

  • Versteck aufsuchen: Schaffen Sie für Ihre Katze attraktive und bequeme Verstecke, die im Idealfall ein wenig höher gelegen sind, damit Ihre Katze alles im Blick behalten kann. Beispiele: ein stabiler Kratzbaum mit mindestens zwei Etagen und kuscheligen Höhlen, ein Cat Walk an der Wand, Hängematten und -liegen, ein Katzentunnel aus Plüsch.
  • Erhöhte Futteraufnahme: Vorsicht, es droht Übergewicht! Lassen Sie Ihre Katze einen Teil ihrer täglichen Mahlzeiten erarbeiten, etwa durch einen Futterball, ein Fummelbrett oder eine Schleckmatte.
  • Erhöhter Bewegungsdrang: Für sehr bewegungsfreudige Wohnungskatzen eignen sich Laufräder als Investition. Auch regelmäßige Jagdspiele mit einer Federangel o. Ä. sollten auf dem Tagesprogramm stehen.
  • Harnmarkieren: Häufig ein Zeichen für große Anspannung. Harnmarkieren, aber auch Unsauberkeit können sich – einem Teufelskreis gleich – verselbstständigen und verschlimmern.
  • Übertriebene Fellpflege: Auch hier sollten Sie zuerst körperliche Ursachen tiermedizinisch abklären lassen, da z. B. auch ein Flohbefall oder eine Futtermittelallergie zu übertriebenem Putzverhalten und kahlen Stellen im Fell führen kann.

Unsere Expertin

Sabine Schroll ist Tierärztin mit den Schwerpunkten Katzen- und Verhaltensmedizin.

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