Antikörper, Gen-Analyse & KI in der Hunde-Medizin: Neue Therapien geben Hoffnung

Therapien mit Antikörpern, Genanalysen in der Diagnostik und künstliche Intelligenz, die Tierärzte bei der Diagnose und Therapie unterstützt. Manches gibt es bereits in der Praxis. An vielem wird noch geforscht.

Antikörper, Gen-Analyse & KI in der Hunde-Medizin Neue Therapien geben Hoffnung
© stock.adobe.com/Friends Stock

In den letzten Jahrzehnten hat die medizinische Versorgung von Hunden enorme Fortschritte gemacht. Kranke Hüftgelenke können heutzutage ersetzt, unregelmäßig schlagende Herzen mit einem Schrittmacher wieder in den Takt gebracht und epileptische Anfälle mit Medikamenten in vielen Fällen verhindert werden. Krankheiten wie die Demodikose, die Leishmaniose oder die Herzwurmerkrankheit, die früher als hoffnungslos galten, können heute zumeist gut behandelt werden.

Die bessere Versorgung der Hunde führt jedoch dazu, dass die Tiere ähnlich wie die Menschen immer älter werden. Das brachte neue Herausforderungen für die Veterinärmedizin. So gehören zu den Haupt-Todesursachen von Hunden heutzutage eher Krebs oder Herzerkrankungen als Infektionskrankheiten. Weitere Herausforderungen für die Hundemedizin der Gegenwart sind unter anderem schmerzhafte Arthrosen, Demenz, Immunkrankheiten und Stoffwechselerkrankungen.

Die Rolle der Diagnostik

Bei den oben genannten chronischen Krankheiten sind die Früherkennung und die korrekte Diagnostik häufig der Schlüssel zum Erfolg. Auch hier hat sich viel getan.

So wurde erst vor wenigen Jahren der sogenannte SDMA-Wert zur Früherkennung von chronischen Nierenerkrankungen entdeckt. Bevor der SDMA-Wert bekannt war, konnten Nierenschäden meist erst diagnostiziert werden, wenn 70 Prozent des Nierengewebes nicht mehr funktionstüchtig waren. Mit dem SDMA-Wert ist es möglich, eine Nierenerkrankung zu erkennen, wenn erst 25 Prozent des Nierengewebes zerstört sind.

Durch die Früherkennung können Nierenkrankheiten bei Hunden heutzutage viel effektiver behandelt werden.

Ein großes Problem der Diagnostik ist, dass unterschiedliche Erkrankungen ähnliche Symptome hervorrufen. Auch die Patienten sind nicht alle gleich. Daher können Therapien, die bei einem Hund gut wirken, bei einem anderen komplett versagen oder bei einem weiteren sogar schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Man forscht daher intensiv an Methoden, mit denen sich voraussagen lässt, welche Therapie im individuellen Fall am besten hilft und am wenigsten Schaden anrichtet.

Sehr viel Hoffnung wird dabei in Genanalysen und in die künstliche Intelligenz gesetzt.

Genanalysen können beispielsweise genetische Veränderungen aufspüren, die mit einer Erkrankung in Verbindung stehen und gleichzeitig Angriffspunkte für neue effektive und maßgeschneiderte Therapien darstellen.

Die große Stärke der künstlichen Intelligenz ist die Mustererkennung. Mustererkennung ist für die Deutung medizinischer Bilder, beispielsweise mikroskopischer Aufnahmen von Gewebeproben, von entscheidender Bedeutung. Doch der menschliche Blick ist manchmal voreingenommen und erkennt „den Wald vor lauter Bäumen nicht“. Die künstliche Intelligenz hingegen ist unvoreingenommen und findet häufig Strukturen und Muster in den Aufnahmen, die dem menschlichen Auge bislang verborgen blieben. Genau diese bislang unentdeckten Muster können der Schlüssel für die Diagnose und/oder eine bessere Therapie sein.

Die künstliche Intelligenz hingegen ist unvoreingenommen und findet häufig Strukturen und Muster in den Aufnahmen, die dem menschlichen Auge bislang verborgen blieben.

Multimodale Therapien

Besondere Durchbrüche wurden in den letzten Jahren bei der Therapie der schmerzhaften Gelenkerkrankung Arthrose erzielt. Arthrose ist zwar immer noch unheilbar, aber neue Schmerzmedikamente und Kombinationstherapien verhelfen den betroffenen Hunden zu mehr Lebensqualität. Die klassischen Schmerzmittel wirken entzündungshemmend und bremsen das Fortschreiten der Arthrose effektiv ab. Früher wurde die Arthrose bei Hunden nur damit behandelt.

Die klassischen Medikamente können jedoch bei langfristigem Gebrauch Nebenwirkungen, vor allem Magen-Darm-Probleme, verursachen. Daher sollte man sie gering dosiert einsetzen. Heute erreicht man diese Dosisreduktion und damit den Schutz vor Nebenwirkungen mit multimodalen Schmerztherapien. Darunter versteht man die Kombination der klassischen Schmerzmedikamente mit einer angepassten Ernährung, Physiotherapie und Bewegungsprogrammen.

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Kombinationstherapien

Seit Kurzem gibt es außerdem ein Schmerzmedikament, das völlig anders wirkt als die klassischen Mittel. Das neuartige Mittel blockiert die Weiterleitung der Schmerzempfindung. Es verstärkt nicht die Nebenwirkungen der herkömmlichen Medikamente. Durch die Kombination mit dem neuartigen Mittel kann die Dosis des klassischen Schmerzmittels reduziert werden. Dadurch nimmt das Risiko für Nebenwirkungen ab. Leider wirkt das neue Mittel nicht bei allen Hunden gleich gut. Aber ein Versuch kann sich lohnen!

Derzeit wird auch intensiv an der Schmerzlinderung bei Hunden durch Cannabinoide, die Inhaltsstoffe der Cannabispflanze, geforscht. Im Mittelpunkt der Forschung steht das Cannabidiol (CBD). CBD scheint bei etwa der Hälfte der vierbeinigen Schmerzpatienten schmerzlindernd zu wirken.

Allerdings gibt es noch keine für Hunde zugelassenen Arzneimittel auf CBD-Basis. Wie gut und wie verträglich die frei verkäuflichen Produkte sind, ist schwer zu beurteilen. Am besten fragt man den Haustierarzt, welche Produkte er empfehlen kann.

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Mensch-Hund-Vergleich

Seit einigen Jahren wird immer deutlicher, dass die Unterschiede zwischen Mensch und Tier viel kleiner sind, als man früher glaubte. Besonders zwischen Hunden und ihren Menschen gibt es weit mehr Ähnlichkeiten, als man sich bislang vorstellen konnte. Das gilt auch für den Alterungsprozess und Krankheiten wie beispielsweise Krebs, Organerkrankungen, chronische Gelenkerkrankungen und viele mehr.

Zwischen Hunden und ihren Menschen gibt es weit mehr Ähnlichkeiten, als man sich bislang vorstellen konnte.

Mittlerweile werden diese Ähnlichkeiten sowohl in der Human- als auch der Veterinärmedizin erforscht. Tatsächlich haben sich aus diesen Vergleichen bereits wichtige Erkenntnisse ergeben, die sowohl den zweibeinigen als auch den vierbeinigen Patienten helfen können. Ein wichtiges Beispiel hierfür sind neue Krebstherapien bei Hunden.

Antikörper gegen Krebs

In der Humanmedizin gibt es seit etwa 20 Jahren sogenannte Immuntherapien, die spezifische Antikörper gegen viele Arten von Krebs einsetzen. Antikörper sind Abwehrstoffe des körpereigenen Immunsystems, die man seit vielen Jahren in großen Mengen in Laboren herstellen kann.

In der Krebsimmuntherapie markieren die Antikörper spezifisch Krebszellen. Durch diese Markierungen erkennt das körpereigene Immunsystem die Krebszellen und tötet sie gezielt ab, während die gesunden Zellen in der Regel verschont bleiben. Das ist ein großer Vorteil gegenüber der klassischen Chemotherapie, bei der die Medikamente auch viele gesunde Zellen zerstören.

Antikörper können jedoch nur bei der Tierart eingesetzt werden, für die sie entwickelt wurden. Antikörper für den Menschen können also nicht bei Hunden eingesetzt werden. Nach dem Beispiel aus der Humanmedizin haben Wissenschaftler des Messerli Forschungsinstituts der Universität Wien nun erstmals Antikörper gegen Krebserkrankungen bei Hunden entwickelt. Diese neu entwickelten Antikörper verbinden sich fest mit einem Molekül auf der Oberfläche von bestimmten Krebszellen. Dieses Molekül ist der Epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR), der das Tumorwachstum vorantreibt. Die Verbindung der Antikörper mit dem EGFR blockiert das Tumorwachstum und regt das Immunsystem dazu an, den Tumor zu zerstören.

Noch ist die Therapie nicht praxisreif. Sobald die Methode in Studien überprüft und zugelassen wurde, soll sie vor allem bei Hunden mit Mammatumoren (Brustkrebs) zum Einsatz kommen. 

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Potenzial von Antikörpern

Antikörper gegen Krebszellen können darüber hinaus mit einem Signalmolekül gekoppelt werden. Bindet dieses Antikörper an eine Krebszelle, kann das gekoppelte Signalmolekül mithilfe moderner Technik sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise können bisher unbekannte Tochtergeschwulste (Metastasen) im Körper aufgespürt werden.

Wenn das ausgewählte Signalmolekül gleichzeitig die Krebszellen abtötet – die Diagnosemethode also gleichzeitig zur Therapie der Krebserkrankung beiträgt –, spricht man von „Theranostics“ (Therapie und Diagnostik).

Darüber hinaus werden Antikörper in der Humanmedizin bei Autoimmunkrankheiten und zur Schmerzlinderung eingesetzt. Übrigens beruht das neuartige Schmerzmedikament gegen Arthroseschmerzen beim Hund auch auf einem Antikörper.

Klimawandel

Infolge der insgesamt höheren Temperaturen und der wärmeren Winter werden in Deutschland Infektionserreger und Parasiten heimisch werden, denen es bislang zu kalt in unseren Breiten war.

Zecken beispielsweise verbreiten sich seit Jahren weiter nach Norden und in höhere Gebirgsregionen, in denen sie früher den Winter nicht überlebt hätten. Mit den Zecken verbreiten sich Krankheiten wie die Frühsommer-Meningoenzephalitis, die Borreliose, die Babesiose und eventuell auch die Ehrlichiose weiter nach Norden.

Das gilt auch für Stechmücken, wie Sandmücken oder Tigermücken, die sich früher nur im Mittelmeerraum oder den Tropen vermehren konnten und ebenfalls Krankheitserreger im Gepäck haben können.

Um Hunde vor diesen Krankheiten zu schützen, muss man die Entwicklungen der nächsten Jahre beobachten und rechtzeitig Vorbeugemaßnahmen wie Impfungen und Parasitenschutz an die neuen Umweltverhältnisse anpassen.

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